Straßgang hat ein berühmtes Geburtstagskind: das Bildungshaus Schloss St. Martin feiert heuer sein 100-jähriges Jubiläum. Schon 1914 gibt es die Idee, aus dem Schloss ein Volksbildungshaus zu machen – der I. Weltkrieg durchkreuzt jedoch diese Pläne und so wird der Betrieb des Bildungshauses erst nach dem Krieg im Frühjahr 1919 aufgenommen. Angeboten werden anno dazumal einfache Kurse für Bauernmädchen in Ernährung, Gesundheit, Hygiene und Lebenskunde. Heute reicht das breitgefächerte Angebot von Erwachsenen- über Familienbildung bis hin zu Kunst und Kultur.

Apropos Kunst: wenn jemand in angenehmer Atmosphre und Umgebung Kunst genießen möchte, ist er in St. Martin definitiv nicht am Holzweg …. wobei: noch ein gutes dreiviertel Jahr ist nämlich genau das möglich! „Auf dem Holzweg“ ist eine frei zugängige Sammlung von Installationen aus Holz zahlreicher Künstlerinnen und Künstler am Waldweg zum Schloss entlang der Kehlbergstrasse.

Selbst der Keller des Schlosses ist der Kunst gewidmet. Im sog. KUKO (Kunst im Kohlenkeller) läuft im Moment die Ausstellung „beasts“, Skulpturen von Matta Wagnest.

Und mag es vielleicht auch kein Schlossgespenst im herkömmlichen Sinne geben, so ist doch etwas spürbar, wenn man das Schloss betritt und in einem wunderschönen Innenhof steht, das man vielleicht am ehesten mit „spirit“ von St. Martin beschreiben könnte. Und da fällt mir ein, dass mein Professor für Bürgerliches Recht, Herr Prof. Viktor Steininger, das offenbar auch so gefühlt haben muss, hat er doch regelmäßig Konversatorien (zu Fragen des bürgerlichen Rechts) im Innenhof von Schloss St. Martin abgehalten, weil es sich unter der Linde so gut spricht …

Details zur Geschichte vom Bildungshaus Schloss St. Martin samt Bildern von einst und jetzt findet man in der Festpublikation oder noch viel besser: man kommt her und schaut sich das alles live an. Es sind quasi zu jeder Zeit Schlossführungen möglich, nur wird um eine telefonische Terminvereinbarung gebeten, da manche interessant zu besichtigenden Räume zugleich als Tagungsräume genutzt werden.

Ich wandle aber nicht alleine durch die Gemäuer, sondern treffe mich mit der Direktorin des Bildungshauses , Frau Dipl. Päd.in Ing.in Anna Thaller. Sie verbindet auch schon eine längere Geschichte mit dem Schloss und vor allem hat sie es aus den verschiedensten Perspektiven kennen gelernt. So war sie selbst Schülerin, dann Lehrerin, pädagogische Referentin, Referentin für LehrerInnenweiterbildung und seit 2013 leitet sie das Bildungshaus als Direktorin und sorgt dafür, dass dieser Spirit von St. Martin erhalten bleibt.

Das Besondere an diesem Schloss am Berg ist, glaube ich, dass es nicht abgehoben oben am Berg thront und nur Auserwählte empfängt. Frau Direktor Thaller bestätigt das: es wird sehr viel Wert darauf gelegt, den Menschen aus Strassgang das Gefühl zu vermitteln, dass nicht nur Gäste von weit her willkommen sind, sondern dass das auch ihr Schloss ist. Und tatsächlich identifiziert sich die Strassganger Bevölkerung durchaus mit „ihrem Schloss“: so wird das Fehlen eines Veranstaltungssaales im Ortskern von Strassgang wunderbar kompensiert durch das Ambiente des Festsaals oder des Innenhofs des Schlosses. Auch die Kirche, die zum Bildungshaus dazugehört und damit kurioserweise als Kirche nicht der Diözese sondern dem Land gehört – letzteres finanziert auch gerade die Sanierung – wird gern genutzt und von den Kehlbergern sogar liebevoll „Dom zu Kehlberg“ genannt. Die Wiedereröffnung nach der Renovierung wird übrigens in einem Festgottesdienst am Martinisonntag, dem 10.11.2019 um 10 Uhr gefeiert.

Das St. Martiner Kochbuch ist nicht umsonst der Bestseller des Verlages, es ist tatsächlich in wirklich vielen Haushalten zu finden. Und es gehört zu jener Art von Kochbüchern, die mit der Zeit fleckig, abgegriffen – einfach benutzt – ausschauen, was durchaus für die Qualität des Inhalts spricht. Neuerlich überarbeitet präsentiert sich die bereits 32. Auflage dieses Werkes, das ursprünglich als Schulbuch in der Fachschule für Land- und Ernährungswirtschaft dient und dessen Ruf weit über die Steiermark hinaus reicht. Das führt mitunter zu lustigen „Aha-Erlebnissen“ bei diversen Seminargästen im Bildungshaus Schloss St. Martin. So hat ein Vorarlberger Gast entzückt festgestellt, jetzt endlich das Schloss zum geliebten Kochbuch gefunden zu haben.

©Sudhaus

Im Gegensatz zum 100 jährigen Bildungshaus ist das im Frühjahr 2018 eröffnete Sudhaus, das ich mit meiner Kollegin Anna besuche, ja noch richtig jung. Unter der Woche als Mittagskantine für die MitarbeiterInnen von Anton-Paar genutzt, verwandelt sich das Sudhaus  ab 16 Uhr in ein Restaurant, in dem man – übrigens mit Blick auf Schloss St. Martin – nicht nur wunderbar speisen sondern auch das selbstgebraute Bier genießen kann. Im Rahmen vom Foodfestival Graz gibt es am 22. August die Möglichkeit, tatsächlich selbst Hand anzulegen. Im Workshop „Mach´s dir selbst“ wird Bier gebraut und auch gleich verkostet. Prost!

Und im Gespräch mit der Kellnerin Johanna stellt sich heraus, dass Schloss St. Martin tatsächlich allgegenwärtig ist. Sie ist ehemalige Schülerin und erzählt uns von der Kooperation der Fachschule für Land- und Ernährungswirtschaft St. Martin (eher mehr Mädchen) mit der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Grottenhof (eher mehr Burschen), die schon Frau Direktor Thaller erwähnt hat. Diese besteht aus gemeinsamen Skikursen, und quasi im Gegenzug zum Tanzkurs in St. Martin dürfen sich die SchülerInnen von St. Martin in Grottenhof im Kühemelken versuchen.

Meine Tour durch die Grazer Bezirke setze ich im September fort, bis dahin wünsche ich euch einen schönen Sommer!

Quellen:
Bildungshaus Schloss St. Martin

Festpublikation
Sudhaus
Foodfestival Graz

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Von: Heidi

5. August 2019

Bild: Schloss St. Martin, Gemälde von Ernst Posch, 2019

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