Puntigam tritt erst seit 1988 als 17. Bezirk auf und ist demnach der jüngste Bezirk in Graz. Aber selbstverständlich wird all das, was Puntigam heute ausmacht, nicht erst 1988 „aus dem Boden gestampft“. Es wird lediglich ein Areal aus dem Bezirk Straßgang und auch ein kleines Stück aus dem Bezirk Gries ausgegliedert und als neuer Bezirk zusammengefasst.

Der Name „Puntigam“ ist ursprünglich der Name jener Familie, die mit ihrer Gastwirtschaft und Brauerei den Grundstein für die heutige Brauerei Puntigam gelegt hat. Selbige genießt mittlerweile sogar weltweit einen guten Ruf, wie ich bei einem längeren Auslandaufenthalt festgestellt habe: so fallen den Menschen – je nach persönlicher Vorliebe versteht sich – nicht nur Mozartkugel, Hermann Maier und Niki Lauda zum Thema Österreich ein, sondern eben auch Puntigamer Bier.

In Herrn Bezirksvorsteher Scheuch und Herrn Pichler, Obmann des Seniorenbundes, habe ich zwei wirklich „waschechte“ Puntigamer als Interviewpartner gefunden, die mir einiges über einen Bezirk erzählen, der aus deutlich mehr besteht, als stark befahrenen Straßen und riesigen Kreuzungen.

Herr Bezirksvorsteher Scheuch weiß zu berichten, dass sich Puntigam von einem Gebiet –  ursprünglich geprägt von Ackerland und Gärtnereien – über die Jahre zu einem Gewerbe- und Industriebezirk entwickelt hat. So findet man neben DER Sparzentrale der Steiermark auch Weltkonzerne wie Fresenius Kabi, XAL (eine Firma, die sich von einem ursprünglichen „Kellerbetrieb“ in der Keplerstraße zur Weltfirma für Beleuchtung/Leuchten entwickelt hat), FCC – Entsorgungbetrieb, Team Styria GmbH.

Und man kommt nicht umhin, bei dieser Aufzählung auch ein wenig Stolz des Bezirksvorstehers auf „seinen“ Bezirk herauszuhören.

Natürlich ist das jeweils persönliche Lieblingsplatzerl auch in diesem Blog Thema.

In Puntigam ist gefühlt die Hälfte der Fläche verbaut mit Einfamilienhäusern und so ist Herr Bezirksvorsteher Scheuch sicher nicht der einzige, der mit dem Brustton der Überzeugung auf die Frage nach seinem Lieblingsplatzerl das eigene Haus samt Garten nennt. Vielen dieser Häuser sieht man – im positivsten Sinne! – an, dass sie mit viel Liebe Ziegel für Ziegel selbst gebaut wurden, oft nach Jahrzehnte langem Ansparen und manchmal … so erzählt Herr BV Scheuch mit einem Augenzwinkern braucht eine Wand halt auch 20 Jahre, bis sie dann schlußendlich doch verputzt wird.

Herrn Pichlers Lieblingsplatzerln sind geprägt davon, dass er als stolzer Opa gerne Zeit mit seinen Enkerln verbringt. So kommt er bei seinen Erzählungen über die Oase an der Mur mit Bankerln und dem einen oder anderen Biotop am Ende der Auer-Welsbach-Gasse richtig ins Schwärmen oder erwähnt den Spielplatz hinter der Kirche, in der Nippelgasse 6-10.

Auch an Puntigam ist der Bauboom nicht vorübergegangen. Ein gerade sehr präsentes Beispiel dafür ist die „Schulbaustelle“, bei der gefühlt kein Stein auf dem anderen bleibt und durch die das Schulzentrum (VS, MS) eine Rundumerneuerung sowie eine Vergrößerung erfährt.

Ein „Schulneubau“ war auch in Herrn Pichlers Vergangenheit schon mal Thema. So erzählt er aus seiner Kindheit vom Unterricht in Baracken auf dem heutigen Spargelände und dem damaligen Schulneubau, der sogar vom Bundespräsidenten Schärf eröffnet wird.

Eine weitere Großbaustelle, die lange Zeit den Bezirk geprägt hat, ist nun abgeschlossen: das Brauquartier. Bemerkenswert an dieser Siedlung ist das siedlungseigene  Quartiersbüro  und der flying garden. Fährt man in den dritten Stock und folgt der Beschilderung, findet man sich in einem Garten wieder, der sich über die gesamte Länge des Brauquatiers erstreckt. Mehrere Gemeinschaftsräume, die an den Garten angrenzen und mit Küche, Tisch und Sesseln ausgestattet sind, können für diverse Veranstaltungen gemietet werden. Ich bin von dieser Gartenanlage sehr beeindruckt, die gepflegten Wege, Blumen, Platzerln mit pflanzlicher Beschattung (die noch ein bisserl wachsen muss), Sitz- und ein paar Sportgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Ich habe zwar nicht das Gefühl zu fliegen, weil rund um den Garten am Dach des dritten Stockes noch höhere Gebäude stehen, aber dennoch fühlt man sich irgendwie abgehoben und weit, weit weg vom Lärm und Staub der großen, breiten Triester Straße.

nettes Angebot einer Bewohnerin im Lift des BQ Foto Gürtl

Karlheinz Gürtl ist jene Person, die sich den Namen des Quartiersbüro – nämlich „mittendrin“ – zum Programm macht. Wenn man ihn von seiner Arbeit mit und für die Bewohnenden des Brauquartiers erzählen hört, gewinnt man den Eindruck, dass er wirklich mittendrin ist. Das reicht von der Unterstützung für Geschäftstreibende, die sich in den Räumlichkeiten des BQ niederlassen wollen, über die Veröffentlichung von angebotenen Jobs auf der Homepage, Ermöglichen von Eigeninitiativen der Bewohnenden (so ist plötzlich ein Regal aufgetaucht, auf dem sich Kinderspiele und  -bücher zur freien Entnahme finden), dem Müllsammeln in der Siedlung, bis zur Vermittlung in Nachbarschaftskonflikten. Letztere kann dann wohl auch manchmal die Form einer paradoxen Intervention annehmen. So wird z.B. eine zumindest kurz- bis mittelfristige Verbesserung einer Lärmbelästigung durch Fitnessgeräte erreicht, in dem dem Sportler Eiweiß- und Powerriegel verbunden mit der Bitte auf Rücksichtnahme an die Tür gehängt werden.

Tja, und nun ist es soweit. Meine Reise durch die Grazer Bezirke mit der Idee, „50 shades of Graz“ zu sammeln, neigt sich dem Ende zu. Sie hat mir jedoch deutlich mehr als 50 Eindrücke und Facetten von meiner Heimatstadt ermöglicht.

Und nur des Kaisers Worte „es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“ zu zitieren, wäre schlicht zu wenig. Die Beschäftigung mit meiner Heimatstadt und den vielen, vielen Menschen, denen ich zuhören durfte, war einfach unglaublich bereichernd und schön für mich und hat letzlich ein „über-den-Tellerrand-Schauen“ bewirkt.

Ich bedanke mich bei allen Interviewpartnerinnen und – partnern, den Leserinnen und Lesern und bei allen, die mir mündliche Rückmeldungen gegeben oder e-mails geschickt haben und gebe das Zepter – oder besser den Griffel – weiter an meine Kolleginnen Anna Kollreider und Viktoria Fröhlich, die ab Herbst Lesenswertes veröffentlichen werden.

 

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Von: Heidi

27. Juli 2021

Bild: Scheuch

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