Große Menschen, kleine Menschen, dicke Menschen, dünne Menschen, Katholiken, Muslime, Buddhisten. Jeder Mensch ist anders … und das ist auch gut so, denn wenn wir alle gleich wären, könnten wir nichts mehr voneinander lernen.

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb hält der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther daran fest. Ein Mensch, unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft gründet seine inneren Überzeugungen auf ein ganzes Repertoire von Erfahrungen, Erlebnissen. Diese sind ihm nicht zugeflogen oder mal einfach so vom Himmel gefallen. Sie sind das Ergebnis eines individuellen Lebensweges, entsprechen dem, was der betreffenden Mensch bisher erlebt hat und können daher niemals richtig oder falsch sein, so Hüther. Doch genau hier beginnt das Problem, die Herausforderung. Denn oft schließen wir von unseren Erfahrungen oder Gefühlen auf die der Anderen, sind der Annahme, alle müssten so empfinden wie wir. Was den Einen glücklich macht, kann für die Andere das Gegenteil bedeuten. Da wo sie vielleicht Hilfe braucht, fühlt sich er sicher oder umgekehrt. Wir können nicht davon ausgehen, dass Andere so fühlen wie wir. Wir wissen es einfach nicht.

Was geschieht also, wenn eine Gruppe Freunde auf den Jahrmarkt geht, um mit dem Geburtstagskind der Runde zu feiern und dabei klar wird, dass man sich bei Vielem ähnlich ist, die Vorstellungen bei einigen Kleinigkeiten aber dennoch auseinander gehen? Der Jubilar wird auf alles Mögliche eingeladen. Kartfahren, Zielschießen, Geisterbahn, nur beim Kettenringelspiel ist auf einmal Schluss, die Ausgelassenheit verflogen. Das Geburtstagskind verzieht die Miene. Alle wollen sich in in luftiger Höhe drehen, nur er nicht. Und während der eine im Stillen mit seiner Höhenangst kämpft, sind die anderen ob der scheinbar ablehnenden Haltung des Beschenkten gekränkt.

Ähnliche Missverständnisse, Irritationen treten auch immer wieder bei Erzählungen von Erlebtem auf. Sie schildert eine Situation, die sie womöglich verletzt hat. Ihr Gegenüber reagiert locker, gelassen – „ach quatsch, das ist doch alles nicht so schlimm. Ignorier’ das doch einfach!“ und wechselt das Thema. Solche Aussagen wirken auf den ersten Blick harmlos, auf manche vielleicht sogar aufmunternd. Dennoch kann es vorkommen, dass schnell ausgesprochene Sätze, wie diese als wenig wertschätzend und interessiert empfunden werden. Zuhören, immer wieder nachfragen, Verständnis zeigen, signalisieren, dass man die Gefühle der Anderen wahrnimmt, kann in der Kommunikation schon mal wahre Wunder bewirken. Erst dann kommen die Ratschläge, die Tipps.

Während es für Erwachsene schon schwer ist, Gefühle auszudrücken, zu benennen, haben Kinder oftmals noch größere Schwierigkeiten damit. Meist bleibt es bei einem aufgeregten “cool” oder einem knappen “scheiße” – mehr kommt da nicht. Deshalb versucht unser Bildungsteam gemeinsam mit den Kleinen eine Art Gefühlsvokabular zu erarbeiten. Denn erst dann, wenn man seine Gefühle richtig zuordnen, benennen und auch als solche erkennen kann, ist es möglich, die Empfindungen der anderen zu deuten. In Zweierteams wird dabei versucht das Gefühl des anderen zu spiegeln. Der Eine drückt ein bestimmtes Gefühl aus, welches das Gegenüber nachahmen und somit auch erraten soll. Wie sieht man aus, wenn man wütend oder traurig ist? Ist das immer und bei jedem sichtbar?

Basisemotionen sind überall auf der Welt gleich – jede ist mal wütend, jeder kann Traurigkeit empfinden. Der Unterschied beginnt dabei, wie wir diese Emotionen ausdrücken, zeigen, nach außen lassen. Gerade deshalb ist es so wichtig, genau hinzuschauen und nachzufragen bevor man die Empfindung einer andern Person durch die eigene Brille bewertet und dann vielleicht ungewollt jemand verletzt anstatt eine Hilfe oder Unterstützung zu sein.

 

 

Von: Biene

5. April 2018

Bild: Grafik: Christina Hauszer

Weitere Beiträge zum Thema:

Blog abonnieren

Loading

Wir informieren Sie, wenn ein neuer Blogbeitrag erscheint.