In Blogs werden allgemein ja häufig Neuerscheinungen, Neueröffnungen oder Neuentdeckungen beschrieben. Grund genug für mich, einmal genau das Gegenteil zu versuchen … und der II. Bezirk Leonhard eignet sich ganz wunderbar dafür, “schon-lange-Existierendes” zu finden.

Imposant, sonnengelb und zum größten Teil von einer roten Ziegelmauer umgeben: so steht es da, das Kloster- und Schulgebäude der Ursulinen in der Leonhardstraße: 1898 gebaut, 1900 eröffnet und bis auf eine Zwangspause während des II. Weltkrieges, in dem das Gebäude als Lazarett dient (Schwestern, die nicht im medizinischen Bereich arbeiten, müssen das Kloster verlassen, oft sogar das Land, kommen aber nach dem Krieg z

urück und machen das schwer in Mitleidenschaft gezogene Gebäude wieder bewohnbar), wird es durchgehend als Kloster, Schule und bis vor einigen Jahren als Internat genutzt.

 

Kiwis

So respekteinflößend die Straßenseite dieses Gebäudes wirkt, so lieblich ist der Garten, der sich hinter dieser Klostermauer auftut. Schwester Franziska, eine von den 12 hier lebenden Klosterschwestern spaziert mit mir durch das Areal, zeigt mir die Beete, erzählt mir von täglich frischen Radieschen, Schnittlauch, mitten in der Wiese wachsendem Vogerlsalat. Direkt an der Klostermauer – und offensichtlich dadurch geschützt –  wächst seit Jahren eine gigantische Kiwi-Laube heran, deren Ernte letztes Jahr viele Steigen im nahen Erdkeller gefüllt hat.

Kiwilaube

Und wie ich da so zuhöre und mich umschaue, die Blütenpracht der Rosen und Kugelblumen bewundere, braucht Schwester Franziska gar nicht mehr extra zu erwähnen, was ihr Lieblingsplatzerl ist. Selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, sei für sie dieser Garten nicht mehr wegzudenken. Wobei sich ihre Liebe zu diesem Garten nicht nur auf das Herumspazieren und das an-den-Rosen-Riechen beschränkt, ganz im Gegenteil. Schwester Franziska ist nämlich diejenige, die – auf einem schnittigen, roten Rasentraktor dahin flitzend (das allerdings NICHT im traditionellen, schwarzen Ordensgewand!) – die Wiese mäht, die Beete bestellt und zusammen mit anderen Schwestern für den Blumenschmuck in der eigenen Kapelle sorgt. Und “nebenbei” unterrichtet sie auch noch Mathematik, textiles Werken, Ernährungs- und Hauswirtschaftslehre in der NMS Ursulinen bzw. fungiert als “Haus- und Hof-Schneiderin” ihrer Mitschwestern.

Zum Thema Schule und Garten: eine Hecke trennt den Klostergarten vom Schulgarten, von wo die Geräusche spielender Kinder dringen. Und gerade als ich frage, wie “streng” diese Abgrenzung gehandhabt wird, rollt ein Ball vor unsere Füße, dann schaut ein kleiner Bub ganz vorsichtig ums Gebüsch-Eck, mit leicht fragendem Blick holt er sich das wohlwollende Nicken von Schwester Franziska und husch, schon ist der Ball geholt.

Unter einer von vielen wunderschönen Rosenhecken verbirgt sich eine wichtige “Persönlichkeit”: eine Statue des heiligen Antonius, seines Zeichens zuständig für das Wiederfinden verlorener Gegenstände wie offensichtlich schon die jüngsten Schulkinder wissen. So hat einmal ein Bub ziemlich lange und schon ziemlich verzweifelt sein Rechenbuch gesucht und auf den Tipp von Schwester Franziska, er solle doch auch den hl. Antonius um Hilfe bitten, zerknirscht geantwortet: “I habs ihm eh schon g´sagt.”

Das Buch ist übrigens wieder aufgetaucht.

Und hier noch ein Tipp: in der langen Nacht der Kirchen am 24. Mai, wird Haubenkoch Willi Haider im Klosterinnenhof Rezepte aus der Bibel kochen (ob er dabei auch das Rezept mit den 5 Broten und 2 Fischen für tausende Menschen weitergibt…?)

Mit meinem nächsten Interviewpartner kann man auch ganz toll über “schon-länger-Existierendes” im Bezirk Leonhard sprechen, ist Herr Bezirksvorsteher Andreas Molnar ja sogar im II. Bezirk geboren und hat sein ganzes Leben hier gelebt, nur unterbrochen von einem 1 1/2 jährigen Aufenthalt in Budapest (aber selbst dort hat er im zweiten Bezirk gewohnt).

Er kann mir viele Lieblingsplatzerln nennen, manche – wie der Meranpark rund um die Kunstuniversität im Palais Meran – waren schon in seiner Kinderzeit sehr beliebte Orte, um Räuber und Gendarm zu spielen. Später dann, erzählt er, gehört es für einen jungen Mann zum guten Ton, weibliche Begleitung zum Taxistand gleich neben dem Park zu begleiten – durchaus in der Hoffnung auf einen Abschiedskuss. Im Zuge seiner Arbeit als Bezirksvorsteher lernt er aber auch immer wieder Neues kennen. So existiert der Leonhardbach zwar auch schon länger, aber erst in den letzten Jahren ist er im Bereich Pappenheimgasse revitalisiert worden. Es gilt schon fast als Geheimtipp, quasi auf der Rückseite des Unionbades, zum Bach hinunter zu steigen, um Fische und Frösche zu bewundern oder einfach nur dem Plätschern des Baches zu lauschen. Überhaupt gibt es in Leonhard einige kleine Parkanlagen, die in den letzten Jahren eine Aufwertung erfahren haben bzw. in denen sich der Bezirksrat bemüht, Orte zu schaffen, die den Bedürfnissen der verschiedenen NutzerInnen entsprechen, so z.B. der Lessingpark (Lessingstraße Ecke Naglergasse), der August-Matthey-Park (Morellenfeldgasse Ecke Merangasse).

Herr BV Molnar kann auch mit einigen Superlativen zum Bezirk Leonhard aufwarten: so sei es der Bezirk mit den meisten InstrumentenbauerInnen und den meisten BewohnerInnen aus dem fernöstlichen, asiatischen Raum (beides bedingt durch die Musikuniversität), wie schon im letzten Blog erwähnt, mit den meisten Bildungseinrichtungen, den meisten Studentenverbindungen (auch bedingt durch die Uninähe), dem höchsten Gebäude in Graz und mit der größten evangelischen Gemeinde in Österreich (Heilandskirche).

Quelle: lokalguide.com

Bei meinen Gesprächen über Leonhard mit den verschiedensten Menschen fällt mir auf, dass wir in fast allen Fällen relativ rasch bei jenen Lieblingsplatzerln landen, wo sie die Zeit verbracht haben, in der sie eigentlich hätten in der Schule sitzen sollen, sprich: wo schwänzt man in Leonhard die Schulen (von denen es ja bekanntlich sehr viele gibt!). Also, neben dem Meranpark wurde da auch das Cafe Uhu (Leonhardstraße 83) genannt (hatte damals wohl andere Öffnungszeiten, zur Zeit sperrt es nämlich erst um 16.00 Uhr auf, dafür aber auch erst um 3.00 Uhr zu), das auch zu den schon-lange-existierenden Einrichtungen in Leonhard gehört. Wer es noch nicht kennt, soll sich durch das auch schon-lange-existierende-Erscheinungsbild nicht abschrecken lassen, sondern vielleicht einmal mittwochs oder freitags Ripperl essen. Von den schon-lange-existierenden Cafes wäre da noch jenes in der Sonnenstraße Nr. 2 zu erwähnen, in dem man auch sehr gut einen Vormittag verbringen kann.

Eine auch schon-lange-existierende Kunst- und Kulturinstitution, die aus Leonhard nicht mehr wegzudenken ist, ist das Rechbauerkino.

1922 wird in der Rechbauerstraße das Elite Kino eröffnet, das später Rechbauer Lichtspiele heißt. In dieser Zeit ist der Kinoraum noch größer, hat sogar eine Galerie und ist etwas anders gestaltet. Frau Beate Bachträgl-Azodanloo, Geschäftsführerin und für die Programmauswahl verantwortlich, erzählt, dass noch heute beim Reinigen der Leinwand die dahinter angebrachten Putten Engel (das sind diese kleinen, pausbäckigen, verspielten Engelsfiguren) sichtbar werden. 1977 steht das Kino leider kurz vor dem Aus, wird aber – sprichtwörtlich in allerletzter Minute – mit der Übernahme durch Dieter Pochlatko vor dem Schicksal, ein Supermarkt zu werden, gerettet und zum Filmzentrum im Rechbauerkino zu dem 1987 auch noch die Videothek dazukommt. Das typische Publikum war damals “männlich, Mitte 20, TU-Student”, heute ist das anders. Man könnte sagen, das Publikum ist mit dem Kino älter geworden. Über die Jahre hat sich das Rechbauer durch die Auswahl der gezeigten Filme einen Ruf als anspruchsvolle Kulturinstitution erworben, und auch wenn heute vielleicht – bedingt durch Youtube & Co – die Zeiten der vollen Kinosäle vorbei sind, gibt es doch eine treue, schon-länger- und hoffentlich noch-lange-existierende Fangemeinde.

 

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Von: Heidi

13. Mai 2019

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