Liebe Blog-LeserInnenschaft!

Wie Sie sicher gemerkt haben, hat der Nachbarschaftsblog mit Beginn der Corona bedingten Quarantäne-Zeit ausgesetzt.

Diese Entscheidung erscheint vielleicht – wie so vieles andere auch in diesen letzten Wochen – etwas sonderbar, ist doch gerade „Nachbarschaft“ etwas, das ständig in aller Munde war und unglaublich an Bedeutung gewonnen hat.

Der Grund, warum ich trotzdem mit den Blogbeiträgen aus den Bezirken pausiert habe, ist folgender: die Blogs basieren auf persönlichen Gesprächen mit Menschen, die sich mit mir in ihren Lieblingslokalen oder auf ihren Lieblingsplatzerln treffen. Beides – sowohl persönliche Gespräche als auch vor-Ort-Treffen – sind vom home-office aus nur schwer zu bewerkstelligen.

Aber zurück zur „Nachbarschaft“, über deren Bedeutung ich ein bisschen philosophieren möchte. Für mich schwingt mit dem Wort Nachbarschaft so etwas wie Nähe mit, dennoch kann es auch vorkommen, dass man sich niemanden weiter weg wünscht, als ausgerechnet „den lieben Nachbarn“. In Zeiten einer Krise, so wird oft behauptet, kommt das Beste und das Schlechteste zum Vorschein – so könnte man das auch in Bezug auf Nachbarschaften in Zeiten des verordneten Zuhausehockens sehen.

Die Zeitungen und das Internet sind voll von Initiativen, die Hilfe anbieten und sich redlich Mühe geben, dieses Angebot auch wirklich an das Zielpublikum zu bringen. In vielen Stiegenhäusern hängen Zetteln von Privatpersonen, die bei Bedarf für übrige HausbewohnerInnen Einkaufsdienste oder wichtige Wege übernehmen. In meiner eigenen Nachbarschaft entstand z.B. ein reger Tausch von Kuchen, Torten und sonstigen Köstlichkeiten, die einfach vor der jeweiligen Haustüre abgelegt wurden … und die unausgesprochene Regel lautete, den Teller niemals leer zurück zu bringen. Auch im Friedensbüro haben wir uns gleich am Anfang der Quarantänezeit Gedanken gemacht, wie wir unseren Nachbarschaftsservice, dessen wesentlicher Bestandteil immerhin auch das persnliche Gespräch mit bzw. zwischen den Konfliktparteien ist, weiterführen können. In einem ersten Schritt haben wir aus allen bisher behandelten Fällen jene Menschen kontaktiert, von denen wir in Erinnerung hatten, dass sie vielleicht Hilfe benötigen könnten. Die Reaktionen waren durchwegs sehr positiv, die Freude darüber, dass sich überhaupt jemand erkundigt, wie es gehe und ob alles ok sei, war deutlich zu spüren und oftmals sehr berührend.

Aber wie schon oben erwähnt, führt eine erzwungene, pausenlose 24-Stunden-7-Tage-lang-Nachbarschaft auch zu Konflikten, die in „normalen“ Zeiten wenigstens durch Schule, Job und sonstige Abwesenheiten unterbrochen würden. Die Situation ist durchaus mit einem Druckkochtopf vergleichbar: durch äußere Einflüsse (gesundheitliche Sorgen, Angst um den Arbeitsplatz, Lagerkoller in den eigenen vier Wänden, …) bedingt, steigt der Druck im Inneren, die einzige Entlastung bietet ein kleines Ventil, durch das dann mit hohem Druck sehr heiße Luft entweicht. Umgelegt auf Nachbarschaft kann man sich vorstellen, dass es da ganz schön krachen und rauchen kann.

Diese akuten Konfliktfälle haben wir telefonisch bearbeitet und auch hierbei erstaunliche Erfahrungen gemacht. So fällt es mir z.B. schwerer, wenn ich in einem Gespräch NICHT mit Händen und Füßen gestikulieren kann oder das Gegenüber das eben nicht sieht. Allerdings gab es auch Gespräche, die am Telefon viel offener geführt wurden, als sie es vielleicht von Angesicht zu Angesicht worden wären. Bedingt durch die Tatsache, dass Hausbesuche zurzeit nicht möglich sind, waren die Beteiligten noch mehr als sonst gefordert, selber zu handeln und allfällige Lösungsideen auszuprobieren. In vielen Fällen führten überraschend gute Lösungsmöglichkeiten zu einer Besserung des Konfliktes. Dennoch freuen wir uns auch wieder auf die persönlichen Kontakte, … wenn auch hinter einem (Plexiglas-)Schutzschild.

Schon fast ein Paradoxon war die Verlegung der mobilen Stadtteilarbeit ins home office. Nicht wenig „Hirnschmalz“ hat es uns gekostet – und der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen – Gemeinschaftsfördernde Aktivitäten für Siedlungen zu kreieren, aber quasi ohne Gemeinschaft im herkömmlichen Sinne. Dennoch haben sich auch hier neue Wege und Ideen eröffnet. So hat sich in einer der von uns betreuten Siedlungen eine kleine Gruppe engagierter BewohnerInnen via whats app zusammen getan. Längst dient diese Plattform nicht mehr ausschließlich als digitalisierte „Klagemauer“ (oder Suder-Ecke), die von uns moderiert wird. Es werden immer wieder konstruktive (Verbesserungs-)Vorschlge gemacht, einige davon in Eigeninitiative umgesetzt und manchmal auch einfach nur zwei Teddybären verschenkt.

 

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Von: Heidi

7. Mai 2020

Bild: ©Friedensbüro Graz

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