… und warum das sogar für manche Gärten gilt

… wer kennt es nicht, dieses Zitat von Paul Watzlawick. Wie oft lassen wir uns täuschen und hören ausschließlich auf das gesprochene Wort eines anderen Menschen …

… und lassen dabei völlig außer Acht, dass der ganze Körper des Gegenübers mit uns spricht (… und wir – respektive unser Körper – sogar darauf antwortet, auch wenn wir eigentlich gar nichts sagen wollen).

Sich das immer wieder bewusst zu machen, ist speziell in unserem Nachbarschaftsservice von immenser Bedeutung. Regelmäßig nämlich sind Menschen sprachlos, wenn es darum geht, über Konflikte zu sprechen. Einerseits sprachlos im wahrsten Sinne des Wortes, wenn Deutsch nicht Erstsprache ist, da die Schilderung der Sachlage und vor allem der Emotionen in einer anderen als der „Muttersprache“ um vieles schwieriger ist. Andererseits – im übertragenen Sinn – fällt es manchmal auch bei perfekten Deutschkenntnisse schwer, über Probleme zu sprechen, die einem so nahe gehen.

Mein erster Interviewpartner ist zwar aus dem Bezirk nicht wegzudenken, gehört aber sicher dennoch zu den eher unüblichen Kommunikationspartnern: der Schlosspark von Schloss Eggenberg.

Also: kein Mitarbeiter, keine Expertin, kein Gärtner … Nein: der Garten selbst kommuniziert mit uns. Sicher, man kann einfach nur so durch den Schlosspark rund um das Schloss schlendern, die Natur genießen und auf sich wirken lassen.

Man kann sich aber auch die Hintergründe seiner Entstehung zu Gemüte führen und wird überrascht sein – zumindest ist es mir so ergangen – wie die Pflanzenauswahl, deren Standort,  die Weggestaltung, die Planung von Aussichtspunkten, … die Sprache einer Zeit sprechen.

So entwickelt sich die Anlage von einer Gartenanlage im italienischen Stil mit botanischen Raritäten, Fasangarten, Heckentheater, Orangerie (Pämäräntschenhaus), Schildkrötenteichen, aufwendigen Brunnenanlagen, Vogelkäfigen und einem eigenen Küchengartenbereich für die fürstliche Tafel stets weiter, entsprechend den jeweiligen internationalen (!) Trends.

Ab 1754 ist dann eher ein Barockgarten im französischen Stile gefragt, mit Rokoko Pavillon, Springbrunnen, Labyrinth. Die Pflanzen werden meisterhaft zurechtgeschnitten, das Wegenetz ist in einem exakten Muster angelegt. Der Garten wird zwar mit der noch heute existierenden Umfassungsmauer umgeben, deren 12 Tore stehen allerdings zum Vergnügen des „Grätzer Publicums“ der Allgemeinheit offen.

In die Jahre nach 1820 fällt die Umgestaltung der Gartenanlage in einen sog. englischen Landschaftsgarten, welcher den Besucher*innen den Eindruck vermittelt, selbst Teil eines riesigen Landschaftsgemäldes zu sein. Es steckt eine strenge Organisation dahinter, alles möglichst unorganisiert wirken zu lassen.

Bei dieser Umgestaltung wird auch ein künstlicher Aussichtshügel mit einem Schatten spendenden Paraplui (Schirm) errichtet. Der Weg bis zur Kuppe führt durch ein Meer von Rosen, die (nicht nur) anno dazumal den Höhepunkt im Schlosspark darstellen. Es ist wahrscheinlich den meisten klar, dass nicht gilt „eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“, aber eine derartige Vielfalt überrascht dann doch. Dank archivierter Bestellkataloge aus der Biedermeierzeit ist die heutige Bepflanzung ziemlich originalgetreu. Die Rosennamen lesen sich wie das „who is who“ des europäischen Adels dieser Epoche, ist doch das Interesse an Landschaftsgärtnerei und Rosenzucht in dieser Zeit gerade im Kreise literarisch interessierter Gentlemen ganz groß in Mode und Teil ihres Lifestyles. Es würde den Umfang dieses Blogs sprengen, näher auf die „Rosomanie“, die ganz Europa erfasst, einzugehen.

An der Rückseite des Schlosses ist das Herrschaftsgartl zu finden, das als sog. Frühstücksgarterl fungiert und von einem eifrigen Obergärtner für seinen Gutsherrn angelegt wird. Das riesige Areal umfasst noch viele weitere Extragärten: Schaugarten, Küchengarten, Baumschule, Gemüsegarten, Handelsgärtnerei, …

Im 20. Jahrhundert schwindet das Interesse am Garten, er entwickelt sich mehr und mehr zu einem einfachen Park, manche Teile verwildern sogar. Erst seit 2000 wird viel Zeit, Mühe und Geld in die Wiederherstellung des Gartens gesteckt. Der heutige Planetengarten ist als Kunstwerk geplant und bezieht sich auf die planetarische Signaturenlehre, die auch für das Schloss von großer Bedeutung ist. Spätestens bei der Besichtigung dieses Platzerls wird mir klar, wie es zu den Begriffen „poetische Gartenräume“, „philosophisch-literarisches Universum des Gartens“ in der ausführlichen Beschreibung auf der Homepage kommt.

Also, wie gesagt, man kann einfach nur so durch den Schlosspark rund um das Schloss schlendern, die Natur genießen und auf sich wirken lassen.

Oder aber, man spaziert – am besten zur Zeit der Rosenblüte – durch den Schlosspark und hört hin, was er einem mitteilen möchte.

Zu einem weiteren Interview treffe ich eine Person, die „Körpersprache“ und „Eggenberg“ untrennbar miteinander verbindet (das findet sogar google, wo sofort ihr Name bei diesen zwei Suchbegriffen aufscheint): Sabine Wallner, alias McBEE.

Dieses „BEE“ ist teils wegen der Herleitung von Sabine – Biene – Bee in den Künstlerinnennamen integriert worden, aber meiner Meinung nach passt BEE noch aus einem anderen Grund ganz hervorragend: Sabine ist derart rege, emsig, vielfältig, sprichwörtlich fleißig wie eine Biene, dass einem als Interviewpartnerin regelrecht der Kopf rauscht vor lauter interessanter Infos.

Sabine ist eine Pantomimin. Sie schafft es, das gesprochene Wort, das ihr aufgrund einer hochgradigen Schwerhörigkeit nicht so leicht fällt, zu ersetzen mit einer Komposition aus extrem vielfältiger Mimik, großen und auch minimalen Bewegungen in den verschiedensten Geschwindigkeiten.

Und da fällt mir gerade auf, dass auch das geschriebene Wort nicht auszudrücken vermag, was das Auge sieht und die Sinne wahrnehmen, wenn man McBEE in action sieht. Allein ihr Beispiel, wie man das Wort „Welle“ dem Publikum nahebringen kann, fasziniert mich. Das geht über die wellenförmige Handbewegung, die unsereins dabei sofort einfällt weit hinaus. Sie beschreibt mit ihrem ganzen Körper Wellen, die sich brechen, Wellen, deren Gischt an den Strand gespült wird, tsunamiartige Wellen oder laues Geplätscher …  – man hört den Atlantik und bekommt nasse Füße.

Diese Kunst zu kommunizieren, Inhalte „rüberzubringen“, setzt Sabine auch ein, wenn sie mit Menschen arbeitet, die Sprache – oder nicht ausreichend beherrschte Sprache – als Barriere empfinden. So macht sie Projekte mit Volksschulen, deren Schüler*innen andere Erstsprachen als Deutsch haben. Ich war selbst einmal Gast bei einer Veranstaltung in der Volksschule meiner Tochter und es ist faszinierend, wie (nicht nur) die Kinder mitleben und ganz offensichtlich alles verstehen.

Und wenn es in einem Workshop mit Müttern von Kleinkindern um das Thema Angst geht, sagen die Bewegungen und die Mimik weit mehr als tausend Worte.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich das auch einmal anzuschauen, wird im Herbst die Möglichkeit haben, das Projekt „Beethoven und ich“ zu erleben. Sabine scheint unendlich viele Ideen für Projekte zu haben. Von der ersten Idee bis zur Aufführung dauert es 3-4 Monate. Vieles, um nicht zu sagen fast alles, wird von McBEE selbst gemacht, so auch die Graphiken, Plakate etc.

Sabine ist also alles andere als sprachlos, im Gegenteil, sie macht einen immer wieder sprachlos.

Auch wenn der Satz „man kann nicht nicht kommunizieren“ für mich zweifellos seine Richtigkeit besitzt, kommt es beim Kommunizieren nicht nur darauf an, wie „gesendet“ wird. Entscheidend ist auch die Bereitschaft zu „empfangen“. So wie Sabine als Senderin mit ihrem Körper ohne Worte eine bunte und vielfältige Kommunikation ermöglicht, so liegt es bei einem Besuch im Schlosspark an der Bereitschaft des*r Betrachters*in, einen tieferen Einblick in den Garten zu bekommen, oder einfach einen Spaziergang zu machen.

Leave A Comment

Von: Heidi

2. September 2020

Bild:

Weitere Beiträge zum Thema:

Blog abonnieren

Loading

Wir informieren Sie, wenn ein neuer Blogbeitrag erscheint.