Überlegt man, welche Personen im persönlichen Umkreis mit psychischen Krankheiten zu kämpfen hat, so ist es recht wahrscheinlich, dass einem dabei mehr Frauen als Männer einfallen. Ist das nur Zufall oder kann es sein, dass Männer seltener von psychischen Störungen betroffen sind?

Tatsächlich ist es so, dass bei Männern psychische Erkrankungen seltener diagnostiziert werden als bei Frauen. Zum Beispiel wird die Diagnose Depression bei Männern in etwa nur halb so oft gestellt wie bei Frauen, während das weibliche Geschlecht sogar als (nicht unumstrittener) Risikofaktor für Depressionen gilt. Es wäre nun aber falsch, gleich anzunehmen, dass dies der Fall ist, weil Männer auch wirklich seltener an psychischen Erkrankungen leiden. Viel eher könnte es eine ganze Reihe an anderen Gründen dafür geben, weshalb Männer scheinbar weniger oft an psychischen Störungen erkranken.

Foto von Alex Boyd auf Unsplash

Generell suchen Männer seltener als Frauen Ärzt:innen auf, was selbstverständlich zu weniger Gelegenheiten führt, bei denen Symptome psychischer Krankheiten auffällig werden können. Sind sie dann einmal beim Arzt, so beschreiben sie zudem häufig in erster Linie die körperlichen Symptome, nicht zuletzt deswegen, weil psychische Erkrankungen für sie als „Schwäche“ gelten oder zumindest in der Gesellschaft als solche gesehen werden. Gerade diejenigen Männer, die besonders an solchen gesellschaftlichen (Fehl-)Definitionen von Männlichkeit festhalten, neigen dazu, an Depressionen zu erkranken, sind aber gleichzeitig auch diejenigen, die am unwahrscheinlichsten nach Hilfe suchen. Gleichzeitig suchen aber auch Ärzt:innen bei Männern eher nach Anzeichen für physische als für psychische Erkrankungen, was ebenfalls dazu beiträgt, dass weniger Diagnosen für psychische Störungen gestellt werden.

Doch auch, wenn Männer, die an psychischen Erkrankungen leiden, sich in ärztliche Behandlung begeben und die Ärzt:innen nicht vorrangig nach physischen Krankheitsursachen suchen, kann es passieren, dass die psychische Störung unbemerkt bleibt oder als weniger gravierend eingestuft wird, als sie es tatsächlich ist. Grund hierfür kann sein, dass die Symptome und Coping-Mechanismen, die bei Männern mit psychischen Erkrankungen auftreten, sich von jenen bei Frauen durchaus unterscheiden können. Während Männer sowie auch Frauen mit Depressionen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, innere Leere, Schlafprobleme und Suizidgedanken aufweisen, so zeigen sich bei Männern auch häufig andere Symptome. Dazu gehören etwa Wut, Gereiztheit, gewalttätiges Verhalten, Risikoverhalten wie Rasen im Straßenverkehr, aber auch physische Symptome wie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und Schmerzen.

Foto von Soragrit Wongsa auf Unsplash

Auch darin, wie sie mit diesen Beschwerden umgehen, unterscheiden Männer sich von Frauen. Ihre Coping-Strategien sind vor allem vermeidungs- und fluchtorientiert, was zum Beispiel so aussehen kann, dass sie übermäßig viel Zeit auf der Arbeit oder mit Sport verbringen, sich aus sozialen Beziehungen und Situationen zurückziehen oder Alkohol und Drogen dazu verwenden, ihr Leid zu betäuben. Diese langfristig ineffektiven Strategien spiegeln gesellschaftliche maskuline Normen wider, die besagen, dass das Unterdrücken und Vermeiden negativer Emotionen Stärke und Kontrolle beweisen. Viel eher sieht es allerdings so aus, dass gerade diese Art von Coping-Strategien auch mit einem erhöhten Suizidrisiko zusammenhängt.

Dem Suizidrisiko und -verhalten von Männern wollen wir jedoch einen eigenen Beitrag widmen, weswegen dieses erst beim nächsten Mal genauer behandelt wird.

 

Quellen:
https://www.maennergesundheitsportal.de/themen/psychische-erkrankungen/maenner-leiden-unbemerkt/
https://adaa.org/find-help/by-demographics/mens-mental-health
https://www.aamc.org/news/men-and-mental-health-what-are-we-missing
https://journalofethics.ama-assn.org/article/depressions-problem-men/2021-07
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9134443/
https://www.researchgate.net/publication/274700295_Men_Depression_and_Coping_Are_We_on_the_Right_Path

2 Comments

  1. Helga WD 9. August 2024 at 11:34 - Reply

    Wie bringt man Männer zum Arzt? Und wie kann man das Thema psyhische Gesundheit beim Mann am besten absprechen? Vielleicht kann man das mal thematisieren in einem der nächsten Newsletter.

    • Miriam 21. August 2024 at 19:33 - Reply

      Vielen Dank für die Anregung! Damit werden wir uns auch in einem der Beiträge beschäftigen.

Leave A Comment

Von: Miriam

8. August 2024

Bild: Foto von Sasha Freemind auf Unsplash

Blog abonnieren

Loading

Wir informieren Sie, wenn ein neuer Blogbeitrag erscheint.