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Foto: Wgraz, CC BY-SA 4.0
Amoklauf im BORG Dreischützengasse – Eine Tragödie und eine Warnung
Unser Blog
Noch immer fühlen sich die Ereignisse, die sich gestern in Graz im BORG Dreischützengasse zugetragen haben, nicht ganz real an. Ein Amoklauf. Mehrere Schwerverletzte. Elf Tote. Und wo? Hier, in Graz, wo man sich – fälschlicherweise – vor Katastrophen dieser Art in Sicherheit wägte.
Amokläufe an Schulen, das war bisher ein Problem, das man vor allem aus Amerika kannte, wo die Waffengesetze deutlich lascher als hier in Österreich sind. Jetzt aber hat sich gezeigt, dass dies auch bei uns passieren kann, und das an einem wunderschönen Dienstagmorgen, an dem die einzige große Aufregung an der betroffenen Schule die mündliche Matura hätte sein sollen. Geschehnisse wie diese machen etwas mit der Gesellschaft, vor allem auch mit den jüngeren Menschen.
Ist das etwas, das öfter geschehen wird? Wie können wir uns jetzt sicher fühlen? Wie geht es weiter? Ideen wie zum Beispiel, dass nun Polizei vor Schulen positioniert werden kann, mögen zwar auf den ersten Blick vielleicht nicht schlecht wirken, sind jedoch auf lange Zeit nicht umsetzbar. Nicht nur, dass es ein wahnsinniger Aufwand wäre, zu überwachen, wer sich alles zu welchem Zeitpunkt in ein Gebäude, in dem sich Schüler:innen (und vielleicht auch Student:innen – wer sagt immerhin, dass so etwas nur in Schulen passieren kann?), gleichzeitig signalisiert so eine Polizeipräsenz ja auch etwas: Hier ist etwas geschehen, hier kann womöglich wieder etwas geschehen.
Was aber ist dann die Lösung? Nach derzeitigem Stand wissen wir, dass der Täter bloß einen Abschiedsbrief, nicht aber genau ein Motiv geliefert hat. Und genau hier liegt das Problem – wir können Polizei positionieren, Übungen für Extremsituationen wie Amokläufe durchführen, Bewusstsein für die Gefahr schaffen. Doch all das sind Maßnahmen, die dort ansetzen, wo wir nicht landen wollen und sollen. Ideal wäre es selbstverständlich, wenn wir gar nicht erst an einem Punkt landen, wo jemand die Motivation, die Möglichkeit und die Mittel hat, um einen Amoklauf zu starten.
Aber wie können wir das überhaupt schaffen? Wo müssen wir beginnen, wo müssen wir hinschauen, um weitere Katastrophen dieser Art zu vermeiden? Es gibt nicht den einen richtigen Zugang, den einen Ort, wo man hinschauen muss. Mobbing, Online-Communities, schlechte Familienverhältnisse, nicht behandelte psychische Krankheiten, verhärtete Fronten in der Gesellschaft, die Liste der Faktoren, die man bedenken muss, ist lang. Doch sie wird nicht kürzer, indem man schnelle, einfach sichtbare Maßnahmen wie Polizei vor der Schule ergreift. Wenn sich wirklich etwas ändern soll, müssen viele aufmerksame Augen auf all die Stellen gerichtet sein, an denen es gefährlich werden kann – und genauso muss es Mittel geben, die auch tatsächlich greifen.
Wir jungen Leute, deren Stimmen viel zu oft nicht gehört werden, wollen uns sicher fühlen können. Wir wollen spüren, dass unsere Angst, unsere Trauer und unsere Wut darüber, dass so etwas überhaupt geschehen konnte, ernst genommen werden. Wir wollen, dass es nach ein paar dunklen Tagen des Gedenkens nicht vorbei ist und der Alltag weitergeht, als gäbe es nicht ein Dutzend Baustellen, auf denen zu wenig getan wird.
Die Einsatzkräfte haben gestern hervorragende Arbeit verrichtet, vom Evakuieren der Personen in Gefahr weg bis hin zum Betreuen aller Betroffener. Doch es wäre schön, wenn wir es in Zukunft dafür sorgen können, dass sie diese Arbeit gar nicht erst verrichten müssen. Sorgen wir dafür, dass diese Katastrophe ein Einzelfall bleibt.
Und noch während ich diesen Beitrag verfasse, geht auch schon die nächste Eilmeldung bei mir am Handy ein: Im Freien einer Grazer Volksschule, gar nicht so weit entfernt vom BORG Dreischützengasse, wurde ein verdächtiger Gegenstand gefunden, aufgrund dessen eine Evakuierung veranlasst wurde. Auch, wenn die beiden Ereignisse wahrscheinlich nicht zusammenhängen – die unsichere Stimmung, die über Graz hängt, ist greifbar. Doch mit den richtigen Maßnahmen ist auch diese, Schritt für Schritt, überwindbar.