Wer kennt die Triester Siedlung? In Graz stellt man die Frage eher umgekehrt – wer kennt sie nicht? Interessant aber: wer kennt sie wirklich? 

Allein die Tatsache, dass die Triesterstraße eine beliebte Verkehrsroute für PendlerInnen ist, macht auch die Siedlung zur linken und rechten Seite der Straße bei vielen Menschen bekannt. Allerdings reicht ein tägliches Durchfahren noch lange nicht, um diesen Teil vom Bezirk Gries auch tatsächlich zu kennen. Umso erstaunlicher ist es eigentlich, dass man auch auf verhaltene bis negative Reaktionen stößt, wenn von der Triester Siedlung die Rede ist, seltsamerweise kommen diese aber öfters von Menschen, die gar nicht hier wohnen oder jemals gewohnt haben, also keinen näheren Einblick haben.

Das ist auch dem Stadtteilzentrum Triester aufgefallen, erzählt mir deren Leiterin Elisabeth Hufnagl. Viele würden zwar den Zentralfriedhof und die Karlau kennen, aber nicht wissen, dass es auch feine Platzerln abseits der Hauptverkehrsader Triester Straße gibt.

Im Rahmen eines Projektes wurde vor einigen Jahren diese Postkarte herausgegeben. Ganz bewusst sind auf ihr genau jene Gebäude und Straßenzüge zu sehen, die man als DurchreisendeR halt so kennt. Allein ein einziges Bild zeigt einen alten Baum, als Hinweis darauf, dass es da eventuell noch mehr zu entdecken gibt.

Der in der Mitte der Karte prangende Schriftzug Schöne Urlaubsgrüße aus der Triester Siedlung war ursprünglich fast etwas ironisch gemeint, gibt es doch zahlreiche Menschen in der Triester Siedlung, die – meist aus finanziellen Gründen – nicht auf Urlaub fahren und somit auch keine Urlaubskarten schicken können. Auch die Verbindung des Fotos von der Karlau mit der Redewendung Urlaub auf Staatskosten entbehrt nicht eines gewissen Zynismus. Herausgestellt hat sich jedoch, dass die Karte sehr, sehr gut angenommen, ja sogar stolz verschickt wird. So haben sich sogar ehemalige BewohnerInnen der Siedlung aus Australien um Karten bemüht und zwischen Karlau und „Landl“ ist sie gar zum beliebten Kommunikationsmittel avanciert.

Zurück zu diesem Baum auf der Karte: er steht am Lieblingsplatzerl von Elisabeth, im Johannes Park. Immer wieder organisiert das Stadtteilzentrum Triester Veranstaltungen in diesem Park, in dem sich offensichtlich alle Generationen wohlfhlen und eine angenehme Stimmung spürbar ist.

Eine weitere Bewohnerin des Bezirkes Gries, Eva, nennt mir ihr ganz persönliches Lieblingsplatzerl, das eventuell – aber nur auf den ersten Blick – etwas ungewöhnlich anmutet: es ist der Zentralfriedhof. Sie geht gerne dort spazieren, die vielen Wegerl und gepflegten Gräber strahlen eine gewisse Ruhe aus, man könne gut nachdenken, von der üblichen Hektik abschalten. Immer wieder spaziert sie auch beim Grab eines ungarischen Soldaten vorbei, dem erzählt sie dann, was sie gerade bewegt oder über was sie sich Sorgen macht.

In der Triester Siedlung gibt es einen ganz speziellen Zusammenhalt unter den BewohnerInnen, den man als AußenstehendeR so gar nicht vermuten würde. Stark motiviert und begleitet vom Stadtteilzentrum Triester wird aufeinander geschaut, die, die es brauchen, werden unterstützt.

Ein Beispiel dafür ist auch der Lerntreff, der dienstags und freitags von jeweils 14.00 – 17.00 Uhr für 6 – 15 jährige SchülerInnen in der Weißenhofgasse 7 angeboten wird. Es ist keine Anmeldung erforderlich und es kostet auch nichts. Ehrenamtliche HelferInnen bemühen sich, den Kindern (meistens sind ca. 15 Kinder anwesend) bei Fragen und Problemen mit dem Lernstoff zu helfen und etwaige Defizite aufzuholen.

Es werden übrigens immer wieder Ehrenamtliche gesucht, die sich im Stadtteilzentrum melden können (unter 0316 273112). Vor allem für das Fach Latein herrscht Bedarf, da auch SchülerInnen vom Oeversee- und Dreihackengymnasium ins Lerntreff kommen.

Das Stadtteilzentrum Triester nennt mir auch der neue Bezirksvorsteher, Tristan Ammerer, als eines seiner zahlreichen Lieblingsplatzerln in Gries. Erst durch seine Arbeit im Bezirksrat hat er, selbst wohnhaft in Gries-Nord, den Süden dieses Bezirkes kennen und schätzen gelernt. In Institutionen wie dem Stadtteilzentrum Triester, oder dem Nachbarschaftszentrum Denggenhof oder dem freien Atelierhaus Schaumbad geschieht extrem wertvolle Arbeit für die BewohnerInnen in Gries. Er ist besorgt, dass einem seiner Lieblingsplatzerln, dem Stadtteilzentrum Triester, nun das „Aus“ drohe, ist es doch ein Ort des Zusammenkommens, wo jedeR willkommen ist und man Leute trifft, die sich sonst eher nicht aus ihrer Wohnung wagen. Diese Einrichtungen sind nicht nur in sozialer Sicht von immenser Bedeutung, sie schaffen auch neue Kulturorte.

Herr Ammerer ist Gries-Bewohner mit Herz und Seele. Als Mitglied einer großteils aus London stammenden Familie beschreibt er den Griesplatz als einen der wenigen Plätze in Graz, auf dem man sich wie in einer STADT vorkomme. Und wie gesagt, Lieblingsplatzerln hat er viele: sei es das Griesou, in dem wir für dieses Gespräch sitzen (…und köstliche Crepes verzerren), der Oeverseepark, in dem man nicht nur Ruhe genießen sondern auch kostenlos Beachvolleyball spielen kann oder die events im Taggerwerk.

Interessant findet er auch die Beobachtung, dass der Ruf des Bezirkes mit der Entfernung von selbigem schlechter wird. So könne er als Bewohner gewisse Bedenken und Ängste von Menschen, die in anderen Bezirken oder sogar außerhalb von Graz wohnen nicht teilen.

So viel zur vielfältigen Vielfalt in Gries, einem Bezirk, auf den das Zitat von Henri Lefebvre „Stadt ist verdichtete Unterschiedlichkeit“ perfekt zutrifft.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Von: Heidi

6. März 2019

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