Lend ist mutig, Lend ist risikobereit, Lend nimmt sich selbst nicht immer so ernst, Lend stellt sich auch mal selber in Frage, Lend ist aufregend, Lend hat was Kühnes, Lend ist vielfältig, Lend hat Geschichte … Lend ist VERWEGEN!

… behauptet Edith Zitz und erzählt auch gleich, warum sie ihrem Heimatbezirk, in dem sie großgeworden ist und auch jetzt wieder wohnt, diese Eigenschaften zuschreibt.

Aber fangen wir mit der Geschichte an: der Norden von Lend ist in den vorigen Jahrhunderten geprägt von Ackerkultur, es gibt viele Gärtnereien, bedingt durch eine günstige Bewässerungslage, da die Mur in dieser Gegend Mäander – Flussschlingen – bildet. Noch heute erinnern einige Straßennamen wie Pflanzen- oder Bienengasse an diese Zeit.

In weiterer Folge entwickelt sich Lend zu einem klassischen Arbeiterbezirk, vor allem in Bahnhofsnähe siedelt sich Schwerindustrie an, rund um den Kalvarienberg gibt es Kleinindustrie und Gewerbe. In den Februarkämpfen 1934 sterben auch BewohnerInnen aus Lend.

Ein weiterer Einschnitt in der eher jüngeren Geschichte des Bezirkes ist sicher das Jahr 2003, in dem Graz stolz den Titel Kulturhauptstadt Europas trägt und in dem ganz bewusst auf der rechten Murseite ein Kunsthaus errichtet wird. Kunst und Lend sind sowieso irgendwie untrennbar miteinander verbunden.

Vieles von dem enormen Wissen von Edith Zitz rund um den Bezirk und seine Geschichte kann man bei regelmäßig von ihr organisierten speziellen Stadtspaziergängen mit einem historisch- soziologischen Zugang erfahren. Die TeilnehmerInnen an solchen Spaziergängen sind einerseits gebeten, sich einzubringen, andererseits wird der Stadtspaziergang aber auch auf die TeilnehmerInnen „maßgeschneidert“. So plant Edith in der heißen Jahreszeit die Runde so, dass es Schatten gibt oder bei nicht so fitten TeilnehmerInnen, dass man an Sitzgelegenheiten vorbeikommt. Es geht ihr sehr darum, den öffentlichen Raum im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen unter die Lupe zu nehmen.

© E. Reichl Edith Zitz, im Hintergrund der Mühlgang im Norden von Lend, bei der Wienerstrasse. Der Mühlgang und die Mur machen viel von der Lebensqualität im “verwegenen” Bezirk Lend aus.

Wenn man Edith Zitz nach ihren Lieblingsplatzerln im Lend fragt, kann sie sofort mehrere nennen. Man hat trotzdem das Gefühl, sie würde am liebsten nur einen einzigen nennen: nämlich den Bezirk Lend als Ganzes. Sie fühle sich mit diesem Bezirk verheiratet und liebe es, über ihn zu sprechen.

Einen ganz speziellen Lieblingsplatz gibt es dann aber doch, vor allem, weil Edith sich sicher ist, dass sie ziemlich einzig und allein damit ist, diesen Platz so besonders zu finden. Es ist die Haltestelle Bienengasse. Mit dem 40er, 67er oder 53er in Richtung Fröbelpark erlebt man die Haltestelle als DurchreisendeR, aber wer dort auf einen Bus wartet und auf die Umgebung achtet, erlebt in dieser Doppel-Kurve von der Wienerstraße in die Hackhergasse eine interessante bauliche Mischung aus Agramer Bäckerei, Volksbank, Barbier-Shop und AVL, im Hintergrund sieht man ein mittelhohes Haus mit einem Doppelmosaik, das Floßlend zeigt. Dementsprechend spiegelt auch das an der Haltestelle wartende Publikum die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit dieses Bezirkes wieder.

Zum Thema Vielfältigkeit fällt ihr aber gleich noch ein Lieblingsplatzerl ein, mit diesem ist sie aber definitiv nicht allein: der Lendmarkt. Dies sei ein Ort, an dem zum Beispiel Samstag Vormittag die verschiedensten Gruppierungen der Lend-Bevölkerung zusammen kommen. Seien es die im Gastrobereich Arbeitenden, die noch Zutaten für das Restaurant brauchen, sog. alteingesessene BewohnerInnen oder Menschen mit Migrationsgeschichte, vielleicht etwas später dann auch Studierende …. dieser Platz ist ein Ort der Begegnung.

Mit dem Bezirksvorsteher Wolfgang Krainer treffe ich eine weitere Person, für die der Marktplatz eine besondere Bedeutung hat. Nicht nur, weil das kulinarische Angebot – gleich ob von den Standl oder von den fixen Hütten – vielfältig und köstlich ist und auch immer wieder geändert bzw. ergänzt wird (so soll die süße Luise vom Cafe Fotter weitergeführt/übernommen werden). Sondern auch weil Herr Krainer über clublend von ca Mai bis September, jeweils Mittwoch Abend, die mittlerweile sehr beliebten Salsa-Tanzabende am Platz organisiert.

Ich treffe mich mit ihm im Talianu, das ein bisserl so etwas wie ein externes Bro des Bezirksvorstehers sein dürfte, was man daran erkennt, dass ihn jeder grüßt und anspricht. Mit Blick auf die Marktstandln erzählt er mir, dass er gemeinsam mit seiner Frau früher drei gastronomische Betriebe hatte, jetzt aber „nur noch“ im Cateringbereich arbeite und Künstlerinnen und Künstler, die im Dom im Berg, auf den Kasematten oder im Orpheum auftreten, kulinarisch verwöhne. Das mit dem Verwöhnen nimmt er sehr ernst und es ist unschwer heraus zu hören, dass das Orpheum mit der eigenen Schauküche zu seinen Lieblingsplatzerln zählt. Am Tag unseres Gespräches kocht er am Abend für Gernot Kulis einen Kaiserschmarrn, dessen Zubereitung er mir so genau schildert, dass mir echt das Wasser im Mund zusammenrinnt und ich sein Rezept gerne weitergeben möchte:

Kaiserschmarrn nach Habsburger Art

Zutaten für 4 Portionen

4 Stück    Eier
0,25 l       Milch
150 g       Mehl
1 Prise      Salz
1 EL         Schlagobers
2 El          Zucker
1 Prise      abgeriebene Zitronenschale
1 El          Butter
1 Prise      Staubzucker
Rosinen     unbedingt am Vorabend in guten Rum einlegen

Zubereitung

  1. Die 4 Eier trennen, das Eiweiß steif schlagen und kalt stellen.
  2. Eigelbe mit 1/4l Milch, 150 g Weizenmehl, 1 Prise Salz, 2 EL Sahne, 2 EL Zucker, 1 EL geriebener Zitronenschale gut verrühren.
  3. Den dadurch entstandenen Teig ca. für 15 Min. ruhen lassen und danach den steifen Eischnee unterziehen.
  4. In 2 großen Pfannen je 1 EL Butterschmalz erhitzen. Den Teig einfüllen und Rosinen darauf streuen und einsinken lassen.
  5. Bei mittlerer Hitze backen, bis Unterseite hellbraun ist und seitlich etwas Dampf aufsteigt (Pfanne öfters rütteln)!
  6. Die Kuchen vorsichtig wenden, und vom Rand nochmals Butterschmalz einlaufen lassen.
  7. Die fertig gebackenen Kuchen mit Gabeln in Stücke reißen und bedeckt 3 Min. ruhen lassen.

Als Beilage ist traditionell natürlich Zwetschkenröster oder Apfelmus möglich ODER ABER man probiert Rosenblütenblättergelee dazu aus. Die Bezugsquelle dafür finde ich sehr originell – vor allem zum Habsburger-Schmarrn: er besorgt es in einem türkischen Lebensmittelgeschäft, derer es auch mehrere im Lend gibt.

Sein Catering ist auch insofern etwas Besonderes, weil er nicht nur für sondern auch mit KünstlerInnen kocht. Manche schauen allerdings auch nur zu und genießen die Düfte. So hat er auch einmal mit dem Schlagzeuger der Rolling Stones einen Esterhazy-Rostbraten zubereitet, als ein gewisser Mick Jagger auf dessen Handy anruft, um erstaunt zu bemerken: „What the hell machst Du in Graz?“ …. oder so ähnlich.

Als bekennender Jazz – Fan ist für Herrn Krainer auch der Mariahilferplatz von besonderer Bedeutung, zumal er auch so wohnt, dass er den Kirchenglocken der Mariahilferkirche quasi beim Läuten zuschauen kann. Heuer im Sommer findet auf dem Platz bereits zum 14. Mal die Murszene statt, ein open-air Ereignis mit Jazz-lastiger-Weltmusik, bei dem auch alle Gastronomen der Umgebung mit ein bezogen werden.

Ich frage Herrn Krainer auch nach einem Superlativ, der für Lend passen würden. Mit einem Schmunzeln meint er: „… der, mit den meisten Frisören!“ und hat auch gleich eine Erklärung parat. Lend gilt in der Vergangenheit als Murvorstadt und alle, die in die Stadt wollen, gehen vorher noch zum Frisör, damit sie hübsch sind….

 

Im nächsten Blog geht´s weiter im Lend….

 

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Von: Heidi

3. April 2019

Bild: Andrea Penz

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