Femizid
Geschlecht als Faktor in einem Mord
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Es ist ein Thema, das momentan in ganz Österreich Schlagzeilen macht: Femizid. Zwölf Frauen wurden dieses Jahr bereits ermordet (Stand Anfang Mai 2021), eine Zahl, auf die das Land eindeutig nicht stolz sein kann. Leider sieht es auch im Vergleich zu anderen Ländern nicht gut aus: In keinem anderen europäischen Land ist es wie in Österreich der Fall, dass mehr Frauen als Männer ermordet werden. Aber warum ist das so? Was für Motivationen stecken hinter einem Femizid? Und auch ganz wichtig: Wie kommt es überhaupt dazu, dass ein Femizid passieren kann?
Fasst man es kurz, so bedeutet Femizid das Ermorden von Mädchen und Frauen im privaten oder öffentlichen Raum aufgrund ihres Geschlechts. Dazu gehören eine ganze Reihe an Straftaten, wie zum Beispiel der Mord an Frauen infolge Gewalt in der Partnerschaft, frauenfeindlich motiviertes Töten oder sogenannte Ehrenmorde. Wichtig ist hierbei, dass es nicht zufällig dazu kommt, dass ausgerechnet eine Frau Mordopfer wird, wie etwa beispielsweise bei einem Erbstreit – die Opfer von Femiziden sind eben deswegen solche, weil sie Frauen sind.
Weltweit werden pro Tag ungefähr 137 Frauen von ihrem Ex- oder aktuellen Partner oder aber auch von einem anderen Familienmitglied getötet. Schuld daran ist vor allem das stereotype Geschlechterbild, beziehungsweise das nach wie vor bestehende Patriarchat, das vor allem in denjenigen Ländern sehr präsent ist, in denen die Femizidrate besonders hoch ist. Die Täter sehen sich oft dazu berechtigt, Kontrolle über Frauen auszuüben und diese nach ihrem Willen zu behandeln. Gleichzeitig können sie allerdings auch nicht damit umgehen, wenn sie ebendiese Kontrolle etwa durch eine Trennung verlieren und sehen sich dazu gezwungen, die ursprüngliche „Gerechtigkeit“ durch einen Femizid wiederherzustellen.
Femizide geschehen unter anderem auch deswegen, weil viel zu oft diejenigen Schritte übersehen oder ignoriert werden, die eine mögliche Katastrophe eigentlich schon im Vorhinein ankündigen, mit denen sich beispielsweise Dr. Jane Monckton Smith in ihrer Forschung beschäftigt. Laut ihr seien es insgesamt acht Eskalationsstufen hin zum Femizid, wobei zu jedem Zeitpunkt noch angemessene Interventionsschritte zum Verhindern des Mordes getan werden könnten.
Erste Alarmglocken sollten beispielsweise schon läuten, wenn man erfährt, dass ein Mann bereits in Fälle, die häusliche Gewalt oder Stalking beinhalten, verwickelt war. Auch Erzählungen von Ex-Partnerinnen über extreme Eifersucht oder besitzergreifendes Verhalten sollten einen hellhörig machen.
Ein weiteres Anzeichen, dass in der Beziehung etwas faul ist, kann die auffällige Geschwindigkeit sein, mit der diese sich entwickelt, seien es nun sehr abrupt wirkendes Zusammenziehen, überstürzte Hochzeiten oder frühe Schwangerschaften. Täter sind oft darauf aus, die Beziehung so schnell und so bindend wie möglich zu etablieren, um sich in Sicherheit wägen zu können, dass – so zumindest ihre Ansicht – nur sie diese auch wieder beenden können.
Im nächsten Schritt zeichnet sich das Bild schon etwas klarer ab: Hier kommt es oft schon zu den ersten Anzeichen von Gewalt, ob nun psychischer oder physischer Natur ist ganz egal. Hauptsache ist, dass dieses Verhalten darauf abzielt, das Opfer in der Beziehung gefangen zu halten und es zu erschweren, diese zu verlassen. In dieser Phase kommt es teilweise auch vor, dass die Polizei zumindest einmal vorbeischaut, weil das Verhalten des Täters beispielsweise in Schlägen ausgeartet ist.
Besonders schießt das Risiko in die Höhe, sobald ein Auslöser für den weiteren Weg hin zum Femizid gegeben ist. Dieser kann viele Formen haben: Finanzielle Probleme, unerwartete Schwangerschaften oder Krankheiten können sind zum Beispiel nur ein paar wenige davon. Der Kontrollverlust, der sich aus jedem dieser Szenarien für den Täter ergibt, macht diesem sehr zu schaffen und erweckt in ihm das Bedürfnis, seine ursprüngliche dominante Stellung wiederzuerlangen.
Um dies zu bewerkstelligen, wird der Täter beispielsweise – falls er es nicht ohnehin schon zuvor war – gewalttätig, droht mit Suizid oder Mord oder bettelt und fleht weinend das Opfer an, wieder die untergeordnete Rolle einzunehmen. Sämtliche Drohungen, die zu diesem Zeitpunkt fallen, sollten nicht einfach als Verzweiflung des Täters abgetan werden, sondern sehr ernst genommen werden.
In der nächsten Stufe findet ein plötzlicher Wandel in der Denkweise des Täters statt, der oft für Außenstehende nur schwer auszumachen ist. In manchen Fällen wird dieser beispielsweise auffällig ruhig oder aber auch noch wütender und aggressiver als zuvor. Die Entscheidung, wie die für ihn unaushaltbare Situation gelöst werden soll, fällt der Täter üblicherweise in dieser Phase.
Das Planen des genauen Tathergangs, das daraufhin oft – jedoch nicht immer – folgt, kann etwa so aussehen, dass der Täter Internetrecherchen zu Mordmethoden anstellt, sich eine Tatwaffe zulegt oder sogar schon ein Grab aushebt. Der zeitliche Abstand, der zwischen dem Auslöser und dem tatsächlichen Planen des Femizids liegt, beträgt meist einen Monat oder sogar mehr.
Im letzten Schritt kommt es schließlich zum Femizid, der sehr unterschiedlich ausfallen kann. Der Täter kann beispielsweise direkt nach der Tat ein Geständnis ablegen, sich selbst nach seinem Opfer umbringen oder den Mord verstecken oder vertuschen.
Quellen:
https://www.derstandard.at/story/2000126439940/femizide-in-oesterreichland-der-toten-frauen
https://eige.europa.eu/de/taxonomy/term/1128
https://de.statista.com/infografik/18709/geschlechterverteilung-bei-mordopfern/
https://www.aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/Frauenmorde_2021_Liste-AOEF.pdf
http://www.powertopersuade.org.au/blog/tracking-intimate-partner-homicide-risk-escalation-the-homicide-timeline/28/11/2019
Von: Miriam
27. Mai 2021
Bild: Nino Carè auf Pixabay
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