Graz hat so einige historische Orte zu bieten, deren sich viele gar nicht bewusst sind. Zu diesen gehört auch Schloss Messendorf, das eine durchaus dunkle Vergangenheit birgt, die man ihm im Vorbeigehen oder -fahren gar nicht ansieht.

Joseph Franz Kaiser, Public domain, via Wikimedia Commons

1391 wurde das Anwesen Messendorf das erste Mal urkundlich erwähnt, war jedoch noch nichts weiter als ein unbedeutender ritterlicher Wehrbau. Zu einem Schloss im Stil der Spätrenaissance wurde es erst im 16. Jahrhundert ausgebaut, und um 1802 herum wurde Schloss Messendorf erneut umgestaltet – diesmal zu einer Bierbrauerei samt Gastwirtschaft. Nicht allzu viele Jahre später verließ das Anwesen jedoch den Besitz des Adels und wurde versteigert, wobei 1858 der Großteil vom Staat erworben wurde, die übrigen Restgrundstücke wurden dann 1865 dazugekauft.
1872 nahm das Schicksal von Schloss Messendorf dann eine alles andere als gute Wendung – in jenem Jahr wurde in diesem nämlich vom Kronland Steiermark eine Landes-Zwangsarbeitsanstalt eingerichtet. Ungefähr 150 Männer, auch als Zwänglinge bezeichnet, mussten dort bis zu drei Jahre Zwangsarbeit leisten, nachdem sie als rückfällige Straftäter eingestuft worden waren. Die zahlreichen Tätigkeiten, die die Zwänglinge ausüben mussten, waren dabei sehr unterschiedlich: Dazu gehörten etwa Weber-, Tischler- und Kartonagearbeiten, aber auch diverse Aufgaben in Feld, Stall und Haus. Auch für 12- bis 18-jährige Burschen und Jugendliche, auch Corrigenden genannt, gab es in der Landes-Zwangsarbeitsanstalt eine Besserungsabteilung, die von 1920 bis 1930 unter dem Namen „Landes-Fürsorgeanstalt Lichtenhof“ bestand. 1933 wurde die Zwangsarbeitsanstalt, die bis dahin einen durchaus gefürchteten Ort dargestellt hatte, aufgelassen.
Damit fand der düstere Teil der Vergangenheit von Schloss Messendorf jedoch noch kein Ende: Während der „Ständestaat“-Diktatur, in den Jahren 1934/35, wurde dieses in ein Anhaltelager für etwa 250 Männer aus verbotenen politischen Parteien umfunktioniert, wo sie ohne Gerichtsurteil in Haft saßen, sozusagen als eine Art „Notarrest“. Am 26. Juli 1934 wurde im Zuge des NS-Putschversuches das Lager von der SA angegriffen, um die dort inhaftierten Nationalsozialisten für den Marsch auf Graz zu befreien. Der Angriff schlug aufgrund einer dort anwesenden Bundesheer-Kompanie fehl, zwei der SA-Männer kamen beim Fluchtversuch ums Leben.

Georg Matthäus Vischer, Public domain, via Wikimedia Commons

Doch auch hiermit war die dunkle Geschichte noch nicht vorüber: Messendorf war von 1933 bis 1934 und von 1936 bis 1978 nämlich eine Zweiganstalt der Zentralanstalt „Am Feldhof“, die als Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke errichtet worden war. In der Zweiganstalt Messendorf wurden hauptsächlich solche Pfleglinge aufgenommen, deren Pflegebedarf den Durchschnitt weit überstieg oder unterschritt, während der „Feldhof“ die ärztliche Oberaufsicht innehatte, also über Aufnahmen und Entlassungen entschied. Während des nationalsozialistischen Regimes schafften 1940/41 zwölf Transporte mit 1177 Menschen, von diesen 82 aus der Zweiganstalt Messendorf stammten, in die Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim, wo sie durch Gas ermordet wurden. Nur 15 Personen überlebten, da sie aufgrund der Aufforderung von Josef Neuhold, dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsverwalter der Zweiganstalt, im Bahnhof Messendorf vom anfahrenden Zug sprangen.
Die hygienischen Zustände der Zweiganstalt Messendorf waren bis zur Schließung 1978 ausgesprochen grauenhaft, insbesondere aufgrund des sogenannten „Fasslsystems“: Sämtliche gesammelte Fäkalien wurden einfach auf der Wiese ausgeleert. Nachdem die meisten Gebäude gesprengt wurden, wurde 1980 mit Ausnahme des denkmalgeschützten „Schlössls“ das gesamte Gelände planiert.
Heute dient das Gelände um Schloss Messendorf einem ganz anderen Zweck – dem „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“. Seit 1985 befindet sich dort nun die Freie Waldorfschule, deren Schüler:innen 2020 nach dem Motto „Manchmal dürfen auch geschundene Orte wieder heilen“ ein Denkmal für die Opfer des NS-Euthanasieprogramms und die Menschen, die dieses zu Fall brachten, gestaltet haben. Zum Anlass des Tages der Menschenrechte 2022 widmete auch das Land Steiermark all jenen, die von der düsteren Geschichte des Schlosses Messendorf betroffen waren, eine eigene Gedenktafel.

Quellen:
Sonja Mittischek: Schloss Messendorf. Eine verdichtete Geschichte und ein später Erinnerungsort.

https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/6321896?originalFilename=true

https://www.news.steiermark.at/cms/beitrag/12897715/154271055/

One Comment

  1. Manfred Oswald 14. Juli 2023 at 7:30 - Reply

    Frau Sonja Mittischek hat 2021/22 im Rahmen ihrer MUSIS Abschlussarbeit auf
    142 Seiten die dunkle Geschichte vom Schloss Messendorf aufgeschrieben.
    und somit dem „Vergessen entrissen“.

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Von: Miriam

13. Juli 2023

Bild: Andreas E. Neuhold, CC BY-SA 3.0 AT

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