Letztes Mal haben wir uns mit einigen Argumenten dahingehend beschäftigt, ob die Neutralität für Österreich denn überhaupt (noch) Sinn macht und ob es nicht besser wäre, diese abzulegen – seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein Diskussionspunkt, der immer wieder aufkommt. Aber schränkt die Neutralität Österreich denn überhaupt ein?

Neutralität bedeutet immerhin nicht, dass Österreich sich aus allen Angelegenheiten heraushalten muss – ganz im Gegenteil: Abgesehen vom militärischen Aspekt gibt es so einige Bereiche, bei denen Österreich als Land trotz seiner Neutralität, oder sogar gerade deswegen, mitreden darf. So wird beispielsweise nicht gefordert, dass Österreich auch gesinnungsneutral ist, was es auch tatsächlich aufgrund seiner ideologischen Bekenntnis zu westlichen Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte nie war. Auch in Konflikten und Kriegen darf Österreich ohne Weiteres Position beziehen. Nicht nur das – Österreich kann problemlos zur globalen Sicherheit beitragen, ohne die Neutralität zu verletzen.

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Ob es nun darum geht, an EU-Sanktionen teilzunehmen, österreichisches Personal zu UN-Friedensmissionen zu entsenden, Katastrophenhilfe zu leisten oder bei EU-Einsätzen mitzuwirken, all dies ist möglich, ohne in Konflikt mit den Bedingungen für die österreichische Neutralität zu kommen. Auch humanitäre und finanzielle Hilfeleistungen steht die Neutralität im Wege. So darf Österreich etwa internationale Organisationen und andere Initiativen wie zum Beispiel das Welternährungsprogramm, die UN-Flüchtlingshilfe und die WHO unterstützen, ohne dabei mit der Tradition der Neutralität brechen zu müssen.

Wie bereits beim letzten Mal erwähnt, gilt innerhalb der EU das Solidaritätsprinzip, das besagt, dass die EU-Mitgliedsstaaten jedem anderen, unter Angriff stehenden Mitgliedsstaat ihre Hilfe und Unterstützung schulden. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) innerhalb der EU, die „den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten“ berücksichtigt, gleicht dieses Solidaritätsprinzip durch zusätzlichen außenpolitischen Spielraum aus – so spricht zwar nichts an der Neutralität dagegen, dass Österreich an Maßnahmen im Rahmen der GSVP und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) teilnimmt, gleichzeitig ist das Land jedoch auch nicht verpflichtet dazu. Was die militärischen Zurückhaltungspflichten angeht – etwa, ob diese auch bedeuten, dass Österreich sich bei EU-Maßnahmen zur Finanzierung von Waffen enthalten muss – , gibt es durchaus Mehrdeutigkeiten, die allerdings mehr von innenpolitischem als außenpolitischem Interesse zu sein scheinen.

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Generell lässt sich also sagen, dass die Neutralität Österreich – wenn überhaupt – nur sehr geringfügig darin einschränkt, anderen EU-Mitgliedsstaaten Unterstützung zu leisten. Politisch gesehen stehen Österreich sehr viele Freiheiten zu, bloß militärisch darf sich das Land nicht wirklich beteiligen – so gesehen könnte Österreich eigentlich sogar ohne Probleme eine viel aktivere Neutralitätspolitik ausüben als bisher.

Quellen:
https://www.oegfe.at/policy-briefs/neutralitaet-und-der-oesterreichische-beitrag-zur-eu-sicherheitspolitik/
Innsbruck University Press. (2024). Zustand und Zukunft der österreichischen Neutralität: Eine Auseinandersetzung (Vol. 53, Special issue). OZP – Austrian Journal of Political Science. https://doi.org/10.15203/4173.vol53.2024
Innsbruck University Press. (2024). Zustand und Zukunft der österreichischen Neutralität: Eine Auseinandersetzung (Vol. 53, Special issue). OZP – Austrian Journal of Political Science. https://doi.org/10.15203/4171.vol53.2024
https://www.derstandard.at/story/3000000232956/wohin-geht-es-mit-oesterreichs-neutralitaet

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Von: Miriam

7. November 2024

Bild: Foto von Mathias Reding auf Unsplash

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