Über Sekten zu schreiben, die momentan noch aktiv sind, ist ein schwieriges Unterfangen. Immerhin gilt hier in Österreich die Glaubens- und Religionsfreiheit, die aussagt, dass jeder Mensch ab 14 Jahren frei entscheiden darf, welcher Religionsgemeinschaft er angehören möchte und in dieser Entscheidung auch von den Behörden unterstützt wird. Da die Herabwürdigung religiöser Lehren sowie auch die Störung einer Religionsausübung als Straftatbestände angesehen werden, erweist es sich als recht kompliziert, eine aktuell aktive religiöse Gruppe als Sekte zu klassifizieren.

Aus diesem Grund konzentrieren wir uns in diesem Beitrag auf eine Sekte, die ein besonders tragisches Ende fand: Die Volkstempelsekte, auf Englisch „The Peoples Temple“.

Nancy Wong, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Jim Jones, der charismatische und humorvolle Leiter der Volkstempelsekte, begann diese in den 1950ern ursprünglich als unabhängige Kirchengemeinde in Indianapolis. Seine Vision war die einer gerechten Gemeinschaft, in der Rassismus und Armut keinen Platz hatten, was ihm vor allem einen großen Teil an afrikanisch-amerikanischen Anhänger:innen einbrachte. Im Jahr 1964 wurde Jones zum Pfarrer der Methodistenkirche geweiht, ein Jahr später prophezeite er einen nuklearen Holocaust, woraufhin er zunächst mit seiner Gemeinschaft in die Wüste Kaliforniens übersiedelte. In den 1970ern verlege Jones den Hauptsitz der Volkstempelsekte nach San Francisco, während er gleichzeitig auch einen weiteren Sitz der Gemeinschaft in Los Angeles eröffnete.

Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

So richtig los ging es mit der Volkstempelsekte schließlich im Jahr 1974 – dem Jahr, in dem Jonestown entstand. Jonestown, eine landwirtschaftliche Siedlung im südamerikanischen Dschungelstaat Guyana, sollte das Paradies auf Erden für ungefähr 1000 von Jones‘ Mitgliedern werden. Dort sollten die Anhänger:innen ihren Lebensunterhalt mit bloßen Händen aus der Natur schöpfen und ihren „Vater“ auf dem Weg zur Erlösung begleiten, aber auch an höchst fragwürdigen Ritualen teilnehmen. Dass es in der Volkstempelsekte nicht so utopisch zuging, wie es Jones ursprünglich vorgeschwebt hatte, war schon länger bekannt – und je mehr Anhänger:innen die Sekte bekam, desto mehr negative Berichte drangen an die Öffentlichkeit. So forderte Jones beispielsweise mit der Zeit absoluten Gehorsam von seinen Sektenmitgliedern, die durch Prügel, Elektroschocks oder Psychofolter bestraft wurden, wenn sie diesen nicht zeigten. Auch beträchtliche Teile ihres Einkommens mussten die Mitglieder der Gemeinde an „Vater“ Jones abliefern, viele mussten all ihren Besitz, ihr Zuhause und in einigen Fällen sogar das Sorgerecht für ihre Kinder aufgeben. Drogenexzesse kamen ebenfalls in den Erzählungen mehrerer Anhänger:innen vor, ebenso wie Jones‘ Forderung an Frauen und Männer, stets bereit dazu zu sein, ihm durch sexuelle Dienste ihre Treue zu beweisen. Diejenigen, die ihm nach Jonestown gefolgt waren, mussten ihre Pässe und Medikamente aushändigen. Der Dschungel wurde von bewaffneten Wachleuten patrouilliert, die Mitglieder sollten einander überwachen und die Briefe und Anrufe der Anhänger:innen wurden zensiert. In Jonestown kam es auch vor, dass Jones die Mitglieder der Volkstempelsekte mitten in der Nacht zusammenrief, um in sogenannten „Weißen Nächten“ den Massenselbstmord mit ihnen zu proben.

Quellen:
https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/kirchenein___austritt_und_religionen/Seite.820011.html
https://www.spiegel.de/geschichte/massenselbstmord-von-jonestown-1978-a-948013.html
https://www.history.com/topics/crime/jonestown
https://www.welt.de/geschichte/article183999416/Massenselbstmord-Fuer-den-Gift-Cocktail-mussten-sie-Schlange-stehen.html
https://www.britannica.com/topic/Peoples-Temple
https://www.deutschlandfunk.de/selbstmord-auf-anweisung.871.de.html?dram:article_id=126427

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Von: Miriam

23. April 2021

Bild: Jonestown Institute, Attribution, via Wikimedia Commons

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