Immer wieder drangen Berichte über die beängstigenden Zustände innerhalb der Volkstempelsekte, insbesondere in Jonestown, nach außen. So wirklich wollte diesen allerdings niemand nachgehen, da kaum jemand von der Gefährlichkeit der Sekte überzeugt war – immerhin hatte sich diese bis jetzt ruhig gehalten und scheinbar friedlich im Dschungel Guyanas gelebt. Am 18. November 1978 sollte sich das alles jedoch auf die wohl grausamste Art ändern.

Sechs Monate und vier Tage vor der Katastrophe in Jonestown legte Deborah Layton Blakey, die ehemalige Finanzsekretärin des Sektenführers „Vater“ Jones, eine eidesstattliche Erklärung ab. In dieser warnte sie die Regierung davor, dass Jones plante, jeden in seiner Siedlung umzubringen. Die Behörden und die Öffentlichkeit reagierten dennoch mit Skepsis auf ihre Aussagen. Leo J. Ryan jedoch, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Kalifornien, beschloss, sich selbst ein Bild von den Geschehnissen in Jonestown zu machen. Am 17. November 1978 besuchte Ryan zusammen mit Anwälten, 14 Familienangehörigen der Volkstempel-Mitglieder, einem Kamerateam und weiteren Journalisten die Siedlung.

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Dort schien aber auf den ersten Blick überhaupt nichts zu den schrecklichen Beschreibungen Blakeys zu passen: Ryan und seine Begleitschaft bekamen Kaffee angeboten, ein Abendessen aufgetischt und später am Abend sogar Live-Musik einer Rockband und Vorstellungen der Jonestown-Einwohner:innen. Erst ein Zettel, der Ryan heimlich zugesteckt wurde, brach die Illusion. „Bitte, helfen sie uns, aus Jonestown herauszukommen“, bat der Verfasser den Abgeordneten. Dies blieb auch bei Weitem nicht der einzige Hilferuf. Insgesamt 16 Anhänger:innen der Volkstempel-Sekte hatten sich bis zum nächsten Tag bei Ryan gemeldet und bekannt, ausreisen zu wollen. Großzügigerweise ließ „Vater“ Jones diese Mitglieder von dannen ziehen – zumindest wirkte es zunächst so. Dieser Eindruck währte jedoch nicht lange.

Ein fanatisches Sektenmitglied attackierte Ryan mit einem Messer, der es mit großer Mühe noch schaffte, über die US-Botschaft ein zweites Flugzeug für diejenigen Anhänger:innen zu organisieren. Dieses sollte allerdings niemals abheben: Noch am Dschungelrollfeld, als die Maschine gerade zum Start ansetzen wollte, schoss plötzlich eines der Sektenmitglieder in dem Flugzeug auf die anderen Insassen. Gleichzeitig rollte auf einmal ein Gespann aus Traktoren, die mit Jones-Anhänger:innen besetzt waren, an das Flugzeug heran, das Ryan und sein Team gerade besteigen wollten, und eröffnete das Feuer. Vier bis fünf Minuten lang wurde geschossen, bis am Ende Ryan, ein Reporter, ein Kameramann, ein Fotograf und eine Volkstempel-Aussteigerin tot am Boden lagen.

National Archives at College Park – Still Pictures, Public domain, via Wikimedia Commons

Hier hört die Tragödie allerdings noch nicht auf: Am selben Tag noch beschloss „Vater“ Jones, seine aus Paranoia befeuerten Massenselbstmordpläne nun endlich in die Tat umzusetzen. Nur kurz nach dem Massaker am Rollfeld teilte Jones seinen Anhänger:innen mit, dass nun Soldaten kommen und sie foltern würden. Er befahl allen, sich im Hauptpavillon zu einem „revolutionären Akt“ einzufinden, während Wachen das gesamte Areal umstellten. Pappbecher mit einer tödlichen Mischung aus Kool-Aid-Limonade, Valium und Zyankali wurden verteilt, als erstes waren kleine Kinder und Babys dran, denen das Zyankali in den Mund gespritzt wurde. Dann waren die Älteren an der Reihe, die den Todestrank herunterstürzten und nach etwa fünf Minuten mit Schaum vor dem Mund zu Boden sanken, während Jones immer hysterischer auf sie einredete. Einige versuchten noch, zu fliehen, doch die meisten von ihnen wurden von Wachmännern erschossen. Nur ein paar wenige überlebten durch Glück oder deswegen, weil sie gerade auf Außenstellen tätig waren.

Insgesamt 909 Leute, davon etwa ein Drittel Kinder, kamen am 18. November 1978 in Jonestown ums Leben, Jones selbst wurde inmitten von ihnen mit einer Kugel im Kopf aufgefunden, die er vermutlich selbst abgefeuert hatte.

Ermittler konnten anhand des „Death Tape“, einer Bandaufnahme, die die letzten Minuten vor dem Massensterben der Volkstempel-Mitglieder dokumentiert, rekonstruieren, was in der Nacht des 18. Novembers geschah. Zusätzlich fanden sie auch über tausend Aufnahmen von Propaganda, Diskussionen und Predigten, die ein erschreckendes Bild der Aktivitäten der Volkstempelsekte preisgaben.

Quellen:
https://www.spiegel.de/geschichte/massenselbstmord-von-jonestown-1978-a-948013.html
https://www.history.com/topics/crime/jonestown
https://www.welt.de/geschichte/article183999416/Massenselbstmord-Fuer-den-Gift-Cocktail-mussten-sie-Schlange-stehen.html
https://www.britannica.com/topic/Peoples-Temple
https://www.deutschlandfunk.de/selbstmord-auf-anweisung.871.de.html?dram:article_id=126427
https://deborahlayton.com/affidavit-of-deborah-layton-blakey/

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