Ein Gespräch mit Ernst Muhr, Mitbegründer und Geschäftsführer von Fratz Graz  – Teil 1

 

Was ist Fratz Graz und was sind die Angebote des Vereins?

Fratz Graz gibt es seit 1991 und wir haben damals im Bezirk Lend in Graz mit unserer Tätigkeit begonnen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt bemerkt, dass sich die Spiel- und Lebenssituation der Kinder dort drastisch verändert. Es hat sich seitdem einiges zum Besseren gewendet, aber einiges eben nicht. Wir sehen uns als Fachstelle für die Schaffung und Erhaltung von Spiel- und Lebensräumen von Kindern und Jugendlichen. Fratz Graz ist ein Wortspiel. Fratzen sind ja ungezogene Kinder und gleichzeitig stecken darin die Worte Freizeit und Aktivitätszentrum.

Wir arbeiten an einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Projekten und Angeboten. Eines davon ist der Abenteuerspielplatz in der Gabelsbergerstraße in Graz, den es bereits seit 1994 gibt. Es ist ein pädagogisch betreuter Kinderspielplatz, wo ganz viel möglich ist: Kinder können dort Hütten bauen, Lagerfeuer machen, in Werkstätten werkeln, gatschn und matschn, den Bambuswald entdecken und außerdem ihre ganz eigenen Ideen einbringen! Für diese Art des Spielens gibt es heute leider immer weniger Räume. In Österreich gibt es nur drei weitere Abenteuerspielplätze; in Deutschland hingegen sechshundert und auch in der Schweiz gibt es rund hundertzwanzig solcher Spielplätze, die dort Robinsionspielplätze genannt werden. Das Konzept hat seinen Ursprung in Skandinavien: Es gibt auf den sogenannten Gerümpelspielplätzen keine aufgeräumte Spiellandschaften, die Kinder können sich selbst überlegen, was sie umsetzen wollen und haben spannende Erlebnisse. Unser Motto ist: Wenn ihr Kind nicht schmutzig nach Hause kommt, dann schickt es bitte wieder zurück, weil dann hat es noch nicht genug gespielt.

Nachdem der Abenteuerspielplatz nicht überall sein kann, haben wir Spielmobilaktivitäten entwickelt. Spielmobile sind Fahrzeuge, die mit Spielmaterial beladen in Parks, Siedlungen aber auch im öffentlichen Raum in Spielstraßen unterwegs sind und Kindern, Jugendlichen und Familien die Möglichkeit des Spielens und Austobens bieten sollen. Das Spielmaterial ist sehr vielfältig: es gibt kreative Dinge, wie Staffeleien und Malschaukeln, aber auch eine Kistenrutsche, große Brettspiele und vieles mehr. Wir haben außerdem Spielmobile zu unterschiedlichen Themen entwickelt: Das Umweltspielmobil widmet sich beispielsweise verstärkt dem Thema Klima und wir versuchen auch Inhalte spielerisch zu vermitteln. Zum Beispiel: Wie geht es einem Eisbären, wenn das Eis schmilzt? Das machen wir durch das sogenannte Eisschollenspiel erlebbar. Schrotty und Engy das Alt-mach-Neu-Mobil ist ein weiteres Spielmobil, das Themen rund um Wiederverwendung, Nachhaltigkeit und Energiegewinnung spielerisch aufgreift. Das Straßenspielmobil versucht Wohnstraßen oder temporäre Spielstraßen wachzuküssen: hier dürfen Kinder spielen, das steht an erster Stelle, wie schon das Schild sagt. Der motorisierte Verkehr steht an zweite Stelle oder ist eine Zeitlang ganz gesperrt! Wir bringen dann Spielmaterialen mit und laden auch Erwachsene ein, die Straße als verlängertes Wohnzimmer zu nutzen und den öffentlichen Raum für sich zu entdecken.

Fratz Graz bietet außerdem Ferienspielangebote. Da gibt es Wochenprogramme, aber es bleibt auch genug Zeit zum in der Sonne Liegen, Bücher Lesen und Entspannen. Wir führen außerdem zwei Jugendzentren in Raaba-Grambach, und Jugendräume in Hitzendorf, Thal und Hart und setzen steiermarkweit und in anderen Bundesländern Kinderbeteiligungsprojekte, wie Schulhof- oder Spielplatzgestaltungen um.

Zu guter Letzt veröffentlichen wir immer wieder Materialen für Kinder. Im Laufe der Zeit ist schon einiges entstanden: Den Kinderstadtteilführer gibt es bereits für die Grazer Bezirke Lend, Gries, Gösting, Geidorf, Waltendorf und wir arbeiten gerade an Andritz. Wir sammeln für dieses Bücherl gemeinsam mit Kindern Informationen über das jeweilige Gebiet und es gibt darin einen Stadtplan, der die Verkehrswege, Spiel- und Sportangebote und vieles mehr sichtbar macht. Außerdem gibt es darin Basteltipps, Spiele, Geschichten und so weiter. In unseren Hosentaschenspielebüchern liefern wir Kindern Spiele, Rätsel, Bauanleitungen, die sonst in Vergessenheit geraten würden. Und vor zehn Jahren haben wir die Schlossbergkarte veröffentlicht, die seitdem mehrmals überabreitet, worden ist: Sie führt circa zwei Stunden lang in Form einer Schnitzeljagd vom Karmeliterplatz auf den Grazer Schlossberg, und bietet auf dem Weg jede Menge Rätsel, Spiel und Abenteuer.

Den zweiten Teil des Gesprächs zu den Themen kindergerechte Stadt, Spielplätze, öffentlicher Raum und partizipative Planung gibt es in dem nächsten Beitrag „Ich spiele – also bin ich“ zu lesen! 

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Von: Viktoria

25. Mai 2023

Bild: lizenzfrei auf pixabay

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