Kinder in der Stadt
Ich spiele – also bin ich
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Ein Gespräch mit Ernst Muhr, Mitbegründer und Geschäftsführer von Fratz Graz, über das Spiel als existenzielles Bedürfnis von Kindern – Teil 2
Wie kindergerecht ist Graz eigentlich?
Zum einen sind innerstädtische Spielplätze rar, zum anderen ist der öffentliche Raum für Kinder vielfach uninteressant gestaltet. Wir fragen Kinder oft, wie sie sich eigentlich durch die Stadt bewegen. Sie schildern: Wenn sie mit ihren Eltern unterwegs sind, sitzen sie meist am Rücksitz im Auto. Wenn sie allein unterwegs sind, fahren sie mit dem Fahrrad oder gehen zu Fuß. Genau das sollte man auch verstärkt ermöglichen, denn dann sind ihre Wege auch spannend. Sie erzählen von ihren Erlebnissen, vom Fund toter Tauben, der Begegnung mit netten Hunden, und Spiele am Weg mit Freunden.
Es wäre außerdem reizvoll, mehr Wasser zum Spielen in der Stadt anzubieten. In Graz gibt es derzeit nur einen Fontänenbrunnen. Er ist am Mariahilferplatz – hier sieht man immer wieder „verzweifelte“ Eltern, die ihren Kindern nachlaufen, weil sie Angst haben, dass sie nass werden. Einmal haben wir eine Aktion beim Brunnen am Eisernen Tor gestartet: Wir haben den Brunnen gereinigt und mit frischem Wasser befüllt. Dann sind wir mit einem Kanu durchgefahren und zig Kinder haben darin geplantscht!
Bei uns gibt es viele Verbote und es wird auf Gefahren hingewiesen. Wo aber bekommen Kinder die Möglichkeit zur Raumaneignung? Dabei geht es nicht immer um teure Großprojekte und Umbauten. Ich denke, man kann die Stadt auch mit einzelnen Anreizen kinderfreundlicher gestalten. Beispielsweise wären Spielzeugausleihstationen, bespielbare Kunst, lustige Installationen, bunte Pflasterungen und Hüpfspiele ein Beginn, um auf öffentlichen Plätzen und in Fußgängerzonen der städtischen Parkplatz- und Eventkultur entgegenzutreten.
Bei der Neugestaltung von öffentlichen Räumen fordern wir immer, die Anliegen und Ideen von Kindern einzubringen. Wir sehen uns als Lobbyisten und wollen einen Mehrwert für unterschiedliche Generationen schaffen. Das Schöne ist: Was Kindern gut tut, tut Erwachsenen auch gut. Nur umgekehrt ist es oft nicht so.
Wie könnte man die Qualität von städtischen Spielplätzen verbessern?
Spielplätze sind uninteressant, wenn sie langweilig und möglichst sicher gestaltet sind. In Graz ähneln sie einander sehr – es wird viel am Reißbrett gearbeitet. Spielplätze müssen genormt sein, dem stimme ich zu, aber trotzdem könnten sie spannender sein. Es braucht Anreize und Herausforderungen. Ich muss etwas erleben können! Es braucht außerdem sinnliche Erlebnisse, da denke ich gerade an die jüngeren Kinder. Jeder, der schon mal am Meer war, weiß, dass Sand und Wasser sehr viel Möglichkeiten zum Spielen bieten. Es braucht Natur! Und man sollte die Landschaft in der Planung mitdenken und nachhaltige Materialen verwenden.
Jedenfalls ist es am besten, wenn man Kinder selbst dazu befragt. Und wir plädieren für partizipative Planungen, die wir in unserem multiprofessionellen Team auch anbieten. Hier begutachtet man mit den Kindern zunächst den Ort und die Landschaft, spinnt dann verrückte Ideen, holt sich Inspirationen und träumt. Später macht man sich konkrete Überlegungen und wir fragen die Kinder: „Was würdest du dort gerne spielen? Und was braucht es dafür?“. Die Kinder arbeiten außerdem viel an Modellen. Diese Art von Beteiligung nimmt Zeit in Anspruch, aber es zahlt sich aus! Beim Schloss Eggenberg haben wir beispielsweise partizipativ mit Kindern geplant und wir haben dort einen kleinen, aber feinen Spielplatz entwickelt.
Im Nachbarschaftsservice befassen wir uns mit Konflikten und unterschiedlichen Bedürfnissen von Personen. Manche ruhebedürftigen Personen fühlen sich durch – von Kindern erzeugte –Geräuschkulissen gestört. Inwiefern begegnet Fratz Graz diesen Themen?
Ich finde es spannend, dass Geräusche so unterschiedlich bewertet werden. Der sogenannte Kinderlärm ist für mich etwas Wunderschönes. Verwunderlich ist für mich hingegen, dass über die Straßenbahn und den Straßenlärm nebenan hinweggesehen wird. Das Spielen ist für Kinder eine Existenzfrage: Wenn sie nicht spielen können, würden sie verwelken, wie eine Blume. Sie brauchen die Möglichkeiten und sie brauchen die Räume dafür. Die dichte Bebauung ist meist der Grund, weshalb Konflikte entstehen. Kinder werden für etwas beschuldigt, wofür sie keine Verantwortung tragen sollten. Vielmehr müsste es im unmittelbaren Wohnumfeld ausreichend attraktive Spielmöglichkeiten geben. Spielplätze sind in Siedlungen meist das letzte, was geplant wird. Ich träume von einer Siedlung, bei der zuallererst der Spielplatz geplant und angemessen budgetiert wird. Das wäre doch was. Bis dahin ist in Sachen Kindergerechtigkeit für Fratz Graz noch einiges zu tun!
Von: Viktoria
6. Juni 2023
Bild: pahis (istock)
Kinderbürgermeisterin für eine Innenstadt ohne Autos, viel Grün und Dächer voller Pflanzen
Hier wachse ich auf! Hier spiele ich! Kinder erzählen von ihrem Wohnumfeld
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