Altern abseits des Scheinwerferlichts

lg_points4action_final_RGB.medium
Foto: Points4Action
Points4Action – Alltag und Erfahrungen der Jugendlichen
Unser Blog
Letzte Woche haben wir uns mit der Entstehungsgeschichte von Points4Action befasst – von der ursprünglichen Idee bis hin zur Umsetzung. Jetzt wäre es natürlich spannend, zu wissen, was aus dem Projekt geworden ist und wie Points4Action heute aussieht. Aus exakt diesem Grund haben wir uns für diesen Beitrag mit vier engagierten Projektteilnehmerinnen und fleißigen Punktesammlerinnen, sowie auch mit der Projektleiterin, MA Bernadette Pirker vom LOGO! jugendmanagement, unterhalten.
Alle vier der Mädchen – Princess, Faith, Natally und Confidence – sind bereits seit ein bis zwei Jahren bei Points4Action dabei. Mit den zwei bis drei Malen (und manchmal sogar bis zu sieben Male!) pro Woche, an denen sie in den Senior:inneneinrichtungen vorbeischauen, gehören sie zu den besonders fleißigen Projektteilnehmer:innen. Wenn nicht gerade zu viel für die Schule zu tun ist, rufen sie einfach vorher in den Einrichtungen an, wann sie etwa kommen möchten, und geben dann im Anschluss an ihren Besuch dort Bescheid, wie lange sie dort waren – letzteres ist wichtig für die Points, die sie erhalten, wozu wir später noch kommen. Normalerweise halten die Mädchen sich an eine fixe Einrichtung, in der sie ihre Besuche machen, manche entschließen sich aber auch dazu, unterschiedliche Einrichtungen zu besuchen. Die Heime, die in unserem Gespräch am öftesten genannt werden, sind die Seniorenresidenz Eggenberg, das Annaheim der Kreuzschwestern und die Senior:innenresidenz Robert Stolz.
In den Einrichtungen haben die Mädchen so gut wie freie Hand – von Gesprächen in den Zimmern der älteren Menschen bis hin zu Spielen oder Spaziergängen ist sehr viel möglich, je nachdem, wie mobil die Senior:innen sind. Hauptsächlich, wie die vier Mädchen erzählen, reden sie aber mit den Bewohner:innen. Dabei geht es beispielsweise oft um deren Vergangenheit, wenn sie sich daran erinnern können, um deren Familie (was durchaus sehr emotional werden kann, gerade, wenn es Todesfälle gab), oder um deren Hobbys. Besonders im Gedächtnis geblieben sind den Mädchen etwa eine ehemalige Ballerina, die viele wunderschöne Bilder von früher vorzuzeigen hat, und ein Gitarrenspieler und großer Fan der Beatles, der – so seine Erzählung – auf einer seiner vielen Reisen sogar einmal entführt wurde.
Am meisten gefällt den Mädchen, dass sie keine fixen Vorschriften haben, was sie tun sollen, sondern selbst aussuchen können, in welche Einrichtungen sie gehen und was sie mit den Senior:innen unternehmen möchten – ein Ziel bei der Gründung von Points4Action, das also vollstens aufgegangen ist. Auch die vielen, von ihrer Lebensrealität sehr verschiedenen Erfahrungen der älteren Menschen und deren Perspektiven, wie man das eigene Leben gestalten sind, empfinden die Mädchen als Bereicherung. Dabei wollen die Senior:innen auch sehr gerne viel mitgeben – seien es nun Ratschläge, Lebensweisheiten, Zitate oder auch einfach nur Geschichten, die sie gerne weitergeben möchten. Das geht allerdings nicht nur in eine Richtung – selbstverständlich können auch die Jugendlichen den älteren Menschen so einiges zeigen und erzählen, mit dem sie noch nicht so vertraut sind, beispielsweise, was modernere Techniken angeht. Außerdem haben die Mädchen durch das Projekt auch Freund:innen in ihrem Alter gefunden, etwa durch Workshops, mit denen sie sich nun regelmäßig dazu verabreden, in Einrichtungen vorbeizuschauen.
Foto Fischer
Die Senior:innen, von denen etwa 30% gar keinen Besuch in Einrichtungen bekommen, wissen das Engagement der Jugendlichen sehr zu schätzen – von ihrer Seite gibt es zahlreiche positive Reaktionen auf die Abwechslung in ihrem meist monotonem, fremdbestimmten Tagesablauf. Die jungen Menschen mit all ihrem Elan und ihrer Energie empfinden sie dabei als große, lebendige Bereicherung und schließen durchaus auch Freundschaften mit ihnen. In der Leistungsgesellschaft fühlen sich ältere Menschen manchmal etwas nutzlos, bekommen allerdings durch die Interaktionen mit den Jugendlichen ein Gefühl von Wertschätzung. Sie bemühen sich etwa sehr, den Druck für die Jugendlichen rauszunehmen, was sie denn eigentlich alles machen und erreichen müssen und haben dabei auch aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters eine sehr einzigartige Perspektive aufs Leben.
Selbstverständlich gibt es durchaus auch Schwierigkeiten, auf die die Jugendlichen bei ihren Besuchen stoßen. Die vier Mädchen im Interview berichten etwa von Rassismuserfahrungen, die in Interaktionen mit älteren Generationen durchaus häufiger vorkommen. Die Migrationsthematik ist beispielsweise sehr schwierig, hier erwähnen die Mädchen jedoch, dass sie auch dem Personal der Einrichtungen Bescheid geben können, sollte eine Situation schwierig oder unangenehm werden, welche dann entschärft wird. Ein weiteres Problem, mit dem die Jugendlichen konfrontiert werden, ist die Tatsache, dass ältere Personen manchmal plötzlich krank werden oder auch versterben, was durchaus auch von einem Tag auf den anderen passieren kann. Dies ist für manche Jugendliche der Grund, ihre Teilnahme am Projekt abzubrechen, sollten ältere Bewohner:innen versterben, mit denen sie besonders viel Kontakt hatten. Weitere Hürden können auch Demenz oder der Unwille mancher älterer Personen sein, sich mit den Jugendlichen zu unterhalten.
Auf das Projekt sind alle vier Mädchen eigentlich auf sehr ähnliche Weise gestoßen: Pizza. Wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, bekommen diese nämlich für ihre Besuche in den Einrichtungen Points, die sie anschließend in unterschiedlichsten Freizeitbetrieben einlösen können – inzwischen kann man mit den Punkten sogar den eigenen B-Führerschein finanzieren. Die vier Mädchen im Gespräch bekamen über Freund:innen mit, dass diese eben solche Points dazu verwendeten, um Pizza zu kaufen, was auch bei ihnen Interesse und Neugier weckte. Daraufhin meldeten sie sich alle bei einem Startworkshop an, bei dem sie unter anderem erfuhren, wobei es bei Points4Action geht, was sie machen können, wohin sie gehen können und was die Points bedeuten. Außerdem wurden in den Startworkshops Überlegungen angestellt, was man denn mit den Senior:innen unternehmen könnte und Ideen für Aktivitäten gesammelt. Zusätzlich wurden die Jugendlichen dafür sensibilisiert, wie sie sich verhalten sollten – wie sie sich selbst beispielsweise fühlen würden, wenn jemand in ihr Zimmer kommt, ohne zu klopfen oder sich die Schuhe auszuziehen, was ja in etwa die Situation ist, in der die Senior:innen sich befinden.
Für Jugendliche, die sich überlegen, bei Points4Action mitzumachen, haben die vier Mädchen gleich mehrere Tipps parat: So empfehlen sie beispielsweise, mit Freund:innen zusammen anzufangen, da es mehr Spaß macht und auch leichter ist, zu zweit ein Gespräch zu beginnen und zu führen. Wichtig ist, dass man sich daran gewöhnen muss, Gespräche zu führen, worin man allerdings mit der Zeit von ganz alleine besser wird, da man lernt, unterschiedliche Zugänge für unterschiedliche Personen zu finden. Manche Bewohner:innen stellen zum Beispiel keine Fragen zurück, was viel Geduld und möglicherweise Strategien erfordert, wie zum Beispiel, sich bereits im Vorhinein ein paar Fragen zu überlegen, um das Gespräch am Laufen zu halten – sollte auch das nicht funktionieren, so kann man auch nachfragen, ob die Personen vielleicht selbst etwas erzählen möchten, oder – sollte es gar nicht funktionieren – sich beim Personal erkundigen, ob man vielleicht zu jemand anderem kann. Ganz allgemein zusammengefasst meinen die Mädchen: Man sollte einfach reingehen und alles erwarten. Damit meinen sie, dass die jeweiligen Treffen sehr unterschiedlich aussehen können – mal geratet man an wen, der sehr gern und sehr viel redet, oder mal an jemanden, der eher in sich gekehrt ist, mal unterhält man sich mit einer Person, die sehr mobil und fit ist, mal ist ein:e Bewohner:in sehr eingeschränkt. Es gilt einfach, sich auf alles einlassen zu können, da man die Chance hat, schöne und durchaus auch lehrreiche Aktivitäten für Belohnung ausüben zu können.
Vielen Dank an dieser Stelle an Princess, Faith, Natally und Confidence für ihre Zeit und ihre spannenden Berichte, und natürlich auch an MA Bernadette Pirker, die das Aufeinandertreffen organisiert hat und das Projekt mit einer solchen Leidenschaft leitet, die sich auch auf die Jugendlichen abfärbt.
Von: Miriam
27. März 2025
Bild: Points4Action
Ein kritischer Blick auf das Altern in unserer Gesellschaft
Mentale Gesundheit – es braucht individuelle Ansätze
Einsamkeit ist ein großes Thema
Im Alter mehren sich die Hürden
Points4Action – Ein Projekt, das Alt und Jung verbindet
Points4Action – Alltag und Erfahrungen der Jugendlichen
Digitale Teilhabe – Nicht alle Senior:innen nehmen die Hürde
Wir informieren Sie, wenn ein neuer Blogbeitrag erscheint.